Journal Freitag, 27. Oktober 2023 – Beifang aus dem Internetz
Samstag, 28. Oktober 2023 um 8:55Etwas unruhige Nacht, aber zehn Minuten vor dem Wecker frisch aufgewacht.
Draußen ausdauernder Regen, ich gab meine Rock-Pläne auf und ließ mir ein anderes Outfit einfallen, das mich freuen würde. Unterm Schirm spazierte ich in die Arbeit (aber weder Mütze noch Handschuhe nötig).
Emsiger Vormittag inklusive Menschlichem (irgendwann diszipliniere ich mich zu echtem Smalltalk). Mittags drohte der Himmel zwischen blauen Löchern immer noch mit dunklen Wolken, doch der Regen hatte aufgehört. Ich ging auf meinen Mittagscappuccino zu einem Schokoladenladen, den ich unterwegs gesehen hatte, und nahm gleich mal Pralinen mit.
Eine regelmäßige Anlaufstelle für Cappuccino wird das aber vorerst nicht: Er hatte mir zwar gut geschmeckt, kann aber nur draußen getrunken werden.
Ruhiger Nachmittag. Ich machte pünktlich Feierabend, um Herrn Kaltmamsell noch daheim anzutreffen: Er brach gestern zum jährlichen Allerheiligenferien-Rollenspiel Call of Cthulhu auf.
Unterwegs noch Lebensmitteleinkäufe, daheim kurzer Austausch mit Herrn Kaltmamsell, bevor ich meine Yoga-Matte ausrollte und er zum Monstertöten verschwand.
Das bedeutete auch, dass ich Hauptaufesserin des dieswöchigen Ernteanteils war. Gestern machte ich aus einem Teil der am Vorabend gekochten Roten Bete sowie einem Rest bayerischem Quinoa (musste weg) und einem Rest Sahne (musste weg) mit Knoblauch und Thymian mein Abendessen.
Vorteil Rote Bete: Sie färbt unansehnlichen Pompf zumindest rosa. Schmeckte aber gut. Zum Nachtisch war reichlich Schokolade im Haus.
Als Abendunterhaltung startete ich einen lange eingemerkten empfohlenen deutschen Fernsehfilm, doch auch dieser fesselte mich nicht über die erste halbe Stunde hinaus. (Zumindest konnte ich diesen Tab jetzt schließen.)
Statt dessen las ich Teresa Präauer, Kochen im falschen Jahrhundert aus – das zwar in praktisch allen Prämissen an mir vorbei ging (unter anderem: mit Mitte 30 das erste Mal zum Abendessen in die eigene Wohnung einladen? einfach eine andere Generation? doch ich konnte mir das Buch gut als Theaterstück in drei Akten vorstellen, die jeweils dasselbe in verschiedenen Versionen erzählen), aber zumindest Erinnerungen an mein eigenes, komplett anderes Gastgeberinnentum wachrief, die ich vielleicht später mal erzähle.
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Das gestrige SZ-Magazin enthält ein (nur gegen Geld zu lesendes) Interview mit der Meister-Schauspielerin Sandra Hüller – in dem auf ein Titel-Feature der September-Ausgabe vom Hollywood Reporter hingewiesen wird. Kostenlos zu lesen:
“Sandra Hüller, Actress of the Year?”.
Es freut mich einfach so, wenn eine Frau Erfolg hat, deren Können wirklich außergewöhnlich ist – und die nicht den Vorstellungen ihrer Branche entspricht.
“You have to take me as I am. With my groceries, my dog,” says the 45-year-old German actress, smiling. “I admire my American colleagues who can really perform in interviews, who can flip a switch and turn it on, but I just don’t have that skill.”
Interessante Beobachtung des Autors Scott Roxborough:
German stage acting is notoriously hard. Members of state ensembles are full-time employees, expected to work day and night, seven days a week, in often mentally taxing and physically demanding performances.
“German theater is pretty extreme; they seem to have naked people screaming onstage all the time,” says Frauke Finsterwalder, who has directed Hüller in two films: 2013’s Finsterworld and Sissi & I, which premiered at Berlin this year. “I always try to work with German theater actors because they are fearless, they are used to pushing the boundaries.”
Für mich weniger überraschend:
Clearly, Hüller is not a sharer, at least not with the media. She mentions a daughter but won’t give her name. The same goes for her dog, who makes an appearance in The Zone of Interest. “She’s called Dilla in the film — that’s all you need to know,” she says wryly. “Listen, it’s not my job to show people in my work how I really am, and it’s not their job to find out who I really am. If someone wants to find out about the real me, they can write me a letter and we’ll go out for a drink.”
(Ich fühlte mich an Christoph Waltz erinnert – ähnlich meisterliche Schauspielkunst, ähnliche Abwehr von Einblicken abseits seines Berufs.) (Haben Hüller und Waltz schonmal zusammen auf einer Bühne oder einem Set gestanden?)
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Als Vielleserin erkennt man ab einem bestimmten Alter die ungefähre Veröffentlichungszeit von Büchern anhand typischer Titelillustrationen. Es rührt mich tief, dass die aktuell typischen Titel von jemandem gestaltet werden, die ich kenne. Und die damit Geschichte schreibt:
Tina Berning.
Vielleicht mögen Sie ihr auf instagram folgen.
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Deutschland und Einwanderung ist ein ganz trauriges Thema. Wer bis vor Kurzem darauf beharrte, dass wiR KeIN eINwaNdErunGsLaND sInD, schafft auch keine nützlichen Regeln und Prozesse für Einwanderung – und muss mit den unerfreulichen Folgen leben. Wie im Fall der palästinensischen Einwanderung nach West-Berlin:
“Debatte um Berliner Sonnenallee:
Hausgemachte Probleme”.
Jahrzehntelang wurden Palästinenser in Berlin gezielt von Arbeit und Teilhabe ausgeschlossen. Linke und arabische Stimmen warnten früh vor den Folgen.
(Mal wieder: Ich hatte ja keine Ahnung)
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Die politische Bewegung westlicher Nationen nach rechts wurde bislang als populistische Welle interpretiert: Nur gut gestellte Schichten, so ein breiter Konsens, können sich die Werte der offenen Gesellschaft leisten, die breiten Massen fühlen sich davon ausgeschlossen, leiden unter Immigration und Globalisierung und wählen deshalb gegen die liberale Demokratie und rechts. Die jüngsten Parlamentswahlen in Polen haben aber genau das Gegenteil bewirkt. Jan-Werner Mueller meint: “It should now be clear that the problem all along has been elites, not ‘the people’.”
“Mainstreaming the Far Right”.
Will auch heißen: Behauptungen wie die, dass an jeder Misere eine gefühlt zu hohe Zahl an Einwanderern schuld ist, entstehen nicht am Stammtisch; sie werden von führenden Politikern vorgegeben und am Stammtisch aufgegriffen (wo sie bereits vorhandene Resentiments bestätigen). Und die Bereitschaft demokratischer Parteien, mit Demokratie-feindlichen zusammenzuarbeiten, öffnet diesen den Weg in den Mainstream.
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Wenn Sie Samstagnacht noch nichts vorhaben:
Es gibt eine partielle Mondfinsternis zu sehen, und die Wetteraussichten für München sind gut.
2 Kommentare zu „Journal Freitag, 27. Oktober 2023 – Beifang aus dem Internetz“
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28. Oktober 2023 um 14:14
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Gerne gelesen
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29. Oktober 2023 um 13:43
Vielen Dank für den Link zum Hollywood reporter. Ich bin erstaunt, dass dort ein Artikel über Sandra Hüller zu lesen ist, die, soweit ich weiß, noch nicht in Hollywood-Produktionen zu lesen war. Nun bin ich auch keine regelmäßige Leserin, daher meine Frage: Haben die grundsätzlich die internationale Filmwelt im Auge, oder ist das schon eine sehr besondere Auszeichnung? Frau Hüller ist wirklich eine bemerkenswerte Schauspielerin, die auch ich sehr bewundere.