Journal Samstag, 2. Dezember 2023 – Wie ich NICHT zu einer Geburtstagsfeier in die Schweiz fuhr, oder: Eingeschneit

Sonntag, 3. Dezember 2023 um 7:34

Ich fasse es immer noch nicht, aber wir kamen gestern tatsächlich nicht raus aus München zur Geburtstagsfeier in die Schweiz. München war eingeschneit, die Polizei riet offiziell dazu, das Haus nicht zu verlassen.

Aber erstmal: Guten Schlaf ausgeschlafen, draußen fast ein halber Meter Neuschnee bei weiterhin leisem Schneefall.

Wegen der geplanten Bahnfahrt in die Schweiz galt der erste Check bahn.de:

Wintereinbruch

Der Bahnverkehr in Süddeutschland ist aktuell stark beeinträchtigt. München Hauptbahnhof aktuell nicht anfahrbar.

In den Medien wurde die Bahn mit “voraussichtlich bis 12 Uhr” zitiert, unser Zug wäre um 11:02 Uhr abgefahren. Also angespannter Vormittag mit kontinuierlichem Check möglicher Verbindungen, zunächst war ich noch zuversichtlich, dass wir irgendeinen Weg zur Freundin finden würden, die wegen Pandemie drei Jahre lang ihren Geburtstag nicht gefeiert hatte.

Immer wieder Check auf bahn.de, doch wie wir es auch drehten und wendeten: Kurz vor zwölf mussten wir uns eingestehen, dass wir nicht aus München rauskamen.

Die Meldungsreihenfolge:

– Kein Fernverkehr ab München Hbf bis mindestens gestern Betriebsschluss.
– Fahrtmöglichkeiten zwischen München und Basel wechselten alle Viertstunde, verschwanden dann wieder, mal nannte die Website eine Verbindung über Lindau, Feldkirch, Zürich. Zack, dann schon nicht mehr, jetzt über Kufstein, Wörgl. Es sah alles danach aus, dass das Programm sich verzweifelt irgendwas zusammensuchte, was in einem Moment möglich war.
– Die SBB kannte die Sperrung des Münchner Hauptbahnhofs für den Fernverkehr gar nicht, schickte munter eine Nachricht zu unserer gebuchten Verbindung mit einer Gleisänderung in Karlsruhe.
– Und dann interne Widersprüche: Angezeigt wurde eine Verbindung über Lindau-Reutin, in den Details hieß es aber “Schnee und Eis: Zwischen München Hbf und Lindau-Reutin wurde der Bahnbetrieb vorübergehend eingestellt.”
– Irgendwann dann insgesamt und offiziell: “Am Hauptbahnhof in München ist der Zugverkehr den ganzen Samstag über eingestellt.”

Dazu eben die offizielle Empfehlung der Polizei, das Haus gar nicht zu verlassen, schon überhaupt nicht Auto zu fahren. Fassungslos musste ich mir eingestehen: Wir waren eingeschneit. Ich musste die so sehr befreute Geburtstagseinladung absagen, mit tiefer Enttäuschung. Dazu die nagenden Schuldgefühle, mich vielleicht doch einfach nur nicht genug angestrengt zu haben.

Ich benachrichtigte die Gastgeberin, packte mit hängenden Flügeln den Übernachtungsrucksack wieder aus.

Gegen eins las ich, dass das Heimfußballspiel des FC Bayern abgesagt wurde. Da begann ich, die Dimensionen der Einschränkungen durch die Schneemassen ein wenig klarer zu sehen. Kurz darauf die Meldungen: Tierpark Hellabrunn geschlossen, Messe Heim&Handwerk geschlossen. Im Großraum München ging tatsächlich nichts mehr.

Wir würden also das Wochenende daheim verbringen, ich fand meine Fassung so schnell nicht wieder – obwohl meiner Vernunft doch klar sein musste, dass sowas nunmal im Winter passieren kann. Herr Kaltmamsell meldete Einkaufspläne an, auch um sich das dickweiße Draußen näher anzusehen. Na gut, dann begleitete ich ihn halt, langsam beruhigte ich mich.

Es schneite weiter, ziemlich nass.

Vorm Haus war eine mächtige Eibe unter der Last aus den Wurzeln gekippt und über die Altglas-Container gestürzt.

(Kann man die nicht einfach wieder aufstellen und unten festdrücken, *schluchz*?)

Im Nußbaumpark sahen wir zahlreiche abgebrochene Äste. Auf den Straßen herrschte fast gespenstische Ruhe, nur hin und wieder schlürfte ein Auto durch den Matsch – die so rührige Münchner Schneeräumung kam schon lang nicht mehr hinterher.

Herr Kaltmamsell kaufte Weihnachtskarten, Grützwurst und Pinkel für den vorgezogenen Wirsing-Eintopf am Sonntag. Auf dem Christkindlmarkt vorm Rathaus entdeckte er echten türkischen Honig – und in seiner Kampagne “Rettet den türkischen Honig!” musste er dann auch einen kaufen.

Für die Mengen an Schnee war in der Innenstadt gar nicht wenig los – aber die U-Bahnen fuhren ja (keine Trambahnen und Busse).

Alle Bäume bogen sich unter der Schneelast, ich hätte sie gern befreit.

Panettonekauf bei Eataly. Über Jakobsplatz nach Hause ins Warme.

Frühstück um drei: Selbst angesetztes Kimchi, Semmeln, Orange. Jetzt las ich die Meldung: Der regionale Bahnverkehr war jetzt auch offiziell Bayern-weit gesperrt.

Der Zwangs-Daheimtag sollte unbedingt zu etwas gut sein: Ich wollte mit Herrn Kaltmamsell nach vielen Jahren mal wieder auf dem Sofa einen Film anschauen. (In den vergangenen Jahren rede ich immer nur davon, dass ich diesen oder jenen Film endlich mal sehen oder wiedersehen möchte, schaffe nie die Zeit dafür.) Es wurde Bill & Ted’s Excellent Adventure von 1989, hatte ich nie gesehen, und eine Inhaltsangabe hatte mich vor Kurzem mit einer Handlung überrascht, die interessant klang.

War dann… ein Erlebnis, das ich keineswegs missen möchte. Starke Erzähl-Ökonomie, es wird erstaunlich wenig erklärt oder gezeigt, dazu ein Baby-Keanu und 90er Jugend-Humor.

Eine Runde Yoga-Gymnastik, draußen hatte der Schneefall mittlerweile aufgehört.

Herr Kaltmamsell servierte als Nachtmahl den für Sonntagabend geplanten Flammkuchen (der Ernteanteil hatte rote Zwiebeln enthalten und mich auf den Wunsch gebracht), dazu die zweite Flasche Wein aus Sussex, die wir aus unserem Englandurlaub mitgebracht hatten, weil er uns vor Ort so gut geschmeckt hatte: Stopham Pinot Blanc.

Der Wein hatte nicht ganz genug Säure als Begleiter zum Flammkuchen mit viel Zwiebel, passte dennoch überraschend gut. Nachtisch Schokolade.

In der Tagesschau wurde behauptet, in München habe es “noch nie” so viel geschneit, wir Münchner*innen hatten uns auf Mastodon den Tag über immer wieder an den 5. März 2006 erinnert, als München ebenfalls eingeschneit war und gar nichts mehr fuhr und lief, als Schulunterricht ausfiel.
Nachtrag: Korrekt ist wohl, dass es in München IM DEZEMBER noch nie so viel geschneit hat.

Während auf ARD die große Advent-Schlagershow “Was der/die lebt noch?!” lief, guckte ich auf arte den Dokumentarfilm von 2017 Maria by Callas über die einzigartige Sängerin – mit vielen Interviews, eines davon nie gesendet, und mit Ausschnitten aus Briefen von ihr, sehenswert.

die Kaltmamsell

5 Kommentare zu „Journal Samstag, 2. Dezember 2023 – Wie ich NICHT zu einer Geburtstagsfeier in die Schweiz fuhr, oder: Eingeschneit“

  1. Stadtneurotiker meint:

    Herzlich gelacht über den Titel der Schlagershow. Vielen Dank!

  2. Beate meint:

    Ich habe an Sie gedacht gestern! So schön der viele Schnee auch ausschaut – schon schade, dass Ihre Reise ins (gefrorene) Wasser fiel.

    Darf ich fragen, ob es im Hause Kaltmamsell ein Rezept für das (den?) Kimchi gibt?

  3. Sandra meint:

    Nachdem die Nachricht des abgesagten Fussballspiels da war und die ersten Bilder von kleinen Männchen (;-) )auf dem Stadiondach zu sehen waren, wusste selbst mein Papa (85 dement): dat wird heut nix mehr…. giess ma Kaffee ein….
    Schade um die verpasste Geburtstagsfeier!
    Auch ich hätte an mir gezweifelt und gedacht ob es nicht vielleicht noch anders hingegangen wäre….
    Liebe Grüsse aus dem ‘nur’ kalten Ruhrgebiet von
    Sandra

  4. Susann meint:

    Es ist, wie’s ist. Für die Kinder war der Schnee ein tolles Erlebnis, nur für uns adultierende Alltagsorganisateur/innen ist er mühsam. Kannste machen nix.

  5. Hauptschulblues meint:

    Die Eibe könnte man schon wieder aufrichten und mit drei Pfosten gut verankern. Aber das ist den Hausverwaltungen meistens zuviel. Man könnte ja fragen …

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