Journal Samstag, 10. Februar 2024 – Nostalgische Erinnerungen an Brotbloggeschichte

Sonntag, 11. Februar 2024 um 8:28

Beim ersten nächtlichen Klogang fühlte ich mich deutlich betrunkener als beim Zu-Bett-Gehen, eigenartig. Nach Aufwachen um sechs noch eine halbe Stunde gedöst, dann aber vor Angstbauch aus dem Bett geflohen.

Ganz hell wurde es zu einem grauen, trockenen Tag, manchmal lichtete sich der Himmel zu ein wenig Blau.

Gestern hatte ich so richtig Lust auf Schwimmen, freute mich auch aufs Radeln zum Olympiabad – obwohl meine schief verwachsenen Lendenwirbel mich derzeit arg plagen und zwicken. Die Schwimmrunde ließ sich dann nicht gut an: Meine linke Schulter samt Oberarm schmerzte sofort. Daran gewöhnte ich mich zwar, der Schmerz war auch nicht arg schlimm, er beeinträchtigte aber den Genuss.

Das Schwimmen durch den Schulterschmerz war selbstverständlich nicht gesundheitsförderlich, aber wer (die sich wirklich, wirklich gern bewegt) hätte denn bitte nach ein paar Bahnen abgebrochen. Nachmittags tat der ganze linke Oberkörper weh, ich erinnerte mich an die Trainingsregeln für Menschen “in meinem Alter” von Vanessa Giese:

– Mit mehr Beschwerden gehen als kommen: schlecht
– Mit den gleichen Beschwerden kommen und gehen: super!
– Mit weniger Beschwerden gehen als kommen: Wunderheilung \o/

Auf dem Heimweg besorgte ich Körnersemmeln (meine derzeitigen Lieblinge sind die Kernigen vom Wimmer), die gab es zu Hause gegen halb zwei mit Crowdfarming-Avocado, danach eine Papaya.

Trotz dieser sehr reichhaltigen Mahlzeit bekam ich überm Zeitunglesen am Nachmittag bald wieder Hunger, doch gestern war eh nach Langem mal wieder ein Fresstag: Ich war schon mit Magenknurren aufgewacht – sehr ungewöhnlich, Appetit hatte ich dennoch keinen. Auch beim Schwimmen knurrte mein Magen – noch ungewöhnlicher. Gestern Nachmittag griff ich zu den gerösteten Nüsschen und aß mich daran satt.

Ich folgte einem Tipp der Hofbräuhausmühlenverkäuferin und guckte den dritten Teil der dreiteiligen NDR-Doku “Unser Brot”:
“Unsere Bäcker”.

Die Filmer*innen begleiten drei ganz verschiedene Bäckereien durch ihre Arbeit: Die traditionelle handwerkliche Bäckerei von Volker Hansen auf Föhr, die Backfabrik Harry und ihren Produktionsleiter Matthias Schielmann, Quereinsteiger Christina Weiß und Lutz Geißler, die vor malerischer Alpenkulisse Brotbackkurse geben und im umgebauten Ex-Wohnzimmer Brote aus Sauerteig und ohne Zusatzstoffe backen und verkaufen.

Zum einen sehr spannend in vielen, angenehm sachlich dargestellten Details (durchaus auch die Großbäckerei), zum anderen war ich halt schon gerührt: Ich erinnere mich gut, wie Lutz Geißler mit seinem Plötzblog in der Food-Bloggeria auftauchte und was ganz Anderes war, da er so systematisch und wissenschaftlich ans Brotbacken und die Chemie dahinter ranging – er wollte ganz genau wissen, was da eigentlich passierte. Dass es zu dieser Zeit für uns Hobbybrotbäcker*innen eigentlich nur englischsprachige Bücher gab, die dazu taugten, in Brotblogs durchprobiert zu werden, mit mannigfaltigen Schwierigkeiten bei der Beschaffung der genutzten Mehle und Einheiten. Und wie es zum ersten brauchbaren deutschsprachigen Brotbackbuch kam, nämlich dem von Lutz. Er schrieb damals Brotgeschichte und hat sie, Details entnahm ich jetzt eben der NDR-Doku, seither weitergeschrieben. (Interessant finde ich ja auch die Geschichte des Plötzblogs selbst.)

Die anschließende Yoga-Gymnastik (nochmal die Folge vom Vortag) erinnerte mich daran, dass ich nur zwei Stunden zuvor Nüsschen gegessen hatte: Die wollten nach oben, ich musste mehrfach heftig gegenschlucken. (Weswegen ich ja sonst immer mit wirklich leerem Magen Sport treibe.)

Verschränktes Arbeiten in der Küche mit Herrn Kaltmamsell: Zum Nachtisch machte ich Apple Crumble (der Ernteanteil hatte Äpfel eines Partnerbetriebs gebracht, ich konnte gemahlene Nüsse und Mandeln aus der Backzutatenkiste aufbrauchen), die Roten Bete aus Ernteanteil bereitete Herr Kaltmamsell als Päckchen mit Linsen zu.

Schmeckte wunderbar, doch wir überlegten, ob es den Klumpen Mozzarella wirklich brauchte. Als Aperitiv hatte es den restlichen Txakoli vom Vortag gegeben, zu den Roten Bete mit Linsen einen Lemberger/Merlot.

Nachtisch! (Ich hatte zwei übrige Datteln gehackt und unter die Äpfel gemischt.)

§

Ich schenke Ihnen einen sehr guten Artikel von Krautreporter:
“Die Deutsche Bahn, verständlich erklärt”.

“Schon wieder,” denken Sie vielleicht. Dennoch Lese-Empfehlung, denn Rebecca Kelber arbeitet sich systematisch, zugänglich und mit größerer historischer Schleife durch die Ursachen der aktuellen Missstände, unter anderem beschreibt sie die Zusammenlegung von Deutscher Bahn (West) und Reichsbahn (Ost) nach der deutschen Wiedervereinigung. Das Ergebnis ihrer Analyse: Eine grundlegende Ursache des aktuellen Schlamassels sei, “dass lange niemand so richtig zu wissen schien, wozu die Deutsche Bahn eigentlich da ist” – das leuchtet mir ein, kenne ich aus meinem beruflichen Alltag: Die kolossale Ineffizienz, wenn wild Maßnahmen durch die Gegend beschlossen werden, ohne dass erstmal das Ziel formuliert wurde.

§

Noch ein Artikelgeschenk, dieses als Mittel gegen Verallgemeinerungen:
“Rassismus und Identität
Protokoll: ‘Okay, dann bin ich jetzt gar nicht mehr deutsch'”.

Mit 14 begann Hanan, Kopftuch zu tragen. Je stärker sie dafür ausgegrenzt wurde, desto mehr dachte sie: Jetzt erst recht. Dann legte sie es ab.

die Kaltmamsell

13 Kommentare zu „Journal Samstag, 10. Februar 2024 – Nostalgische Erinnerungen an Brotbloggeschichte“

  1. Ulrike meint:

    Krass, ich backte mich durch DEN Hamelmann und bekam Besuch von Lutz Geißler. Danke für’s Erinnern

  2. Poupou meint:

    Dankeschön für die Artikel!

  3. Sonni meint:

    Vielen, vielen Dank für den Artikel über das Kopftuchtragen. Dieses Thema beschäftigt mich schon lange, fordert doch das Kopftuch aus meiner Sicht unsere freiheitliche Gesellschaft auf besondere Weise heraus, indem es selbst für Unfreiheit und Frauenfeindlichkeit steht. Andererseits müssen in einem freien Land auch andere Einstellungen ihren Platz haben – zum Beispieldie Meinung, das Kopftuch sei nicht frauenfeindlich. Daher war die Innensicht der Autorin für mich sehr erhellend, bestärkt mich aber letztlich in meiner Sichtweise. Auch ich könnte keine enge Freundin mit Kopftuch haben, da dieses eine große Summe von Werten transportiert, die ich nicht teile. Der Appell gegen die kulturelle Abschottung ist dennoch unendlich wichtig, denn er betrifft ja nicht nur Freundschaften.

  4. Trulla meint:

    Danke für den Krautreporter Artikel.
    Ich fand viele Beschreibungen darin bestürzend. Das Hin- und Hergerissensein der jungen Frau zwischen zwei Welten wurde sehr gut und nachvollziehbar dargestellt. Sie zumindest scheint stark genug zu sein, ihren eigenen, selbstbestimmten Weg zu gehen – ich wünsche es ihr sehr.

    Aber was ist mit dem Vater los? Wieso hat dieser Mann gar kein positives Gefühl übrig für ein Land, das ihm Unterkunft, qualifizierte Ausbildung, Arbeit und Auskommen ermöglicht? Von Dankbarkeit will ich nicht reden, aber stattdessen Abscheu und Verachtung? Und leider scheint er nur einer von
    vielen zu sein, die aus religiösen Gründen eine freie Entfaltung ihrer – oft zahlreichen – Nachkommenschaft verhindern und sogar durch ihre Community streng überwachen lassen.

    Ich habe immer die Bereicherung gesehen, die durch das Miteinander unterschiedlicher Kulturen entsteht, aber die damit verbundene Problematik muss auch diskutiert werden können ohne ideologische Scheuklappen.

  5. Sonni meint:

    Vollste Zustimmung!

  6. Sonni meint:

    Den Rückzug des Vaters ins Religiöse interpretiere ich ebenfalls als Reaktion auf das Nichtankommenkönnen in unserer Gesellschaft. Auch darum bleibt gegenseitige Offenheit wichtig. Niemand wird sich zu einer Gesellschaft bekennen, die ihn nicht akzeptiert.

  7. Friederike meint:

    Auch heute wieder: danke für die verlinkten Artikel, die ich beide mit Interesse gelesen habe!
    In Sachen Kopftuch ist hier ja schon einiges geschrieben worden.
    In Sachen Bahn finde ich es oft ausgesprochen frustrierend, wie oft sinnvolle Ideen schon ignoriert oder sogar aktiv sabotiert worden sind.
    Und ja: Wenn es gut läuft, freue ich mich auch darüber, z.B. über funktionierende Nah- und Regionalverbindungen.

  8. Susann meint:

    Es ist keine Einbahnstraße. Der Vater akzeptiert ja die Gesellschaft, in der er lebt, gar nicht bis zähneknirschend. Ich weiß nicht, woher die naive Sicht der Deutschen kommt, Identität spiele keine Rolle. Ich lebe seit 20 Jahren in Deutschland und würde mich nie, nie, nie als Deutsche bezeichnen, weil ich keine BIN. Dem Vater im Artikel und vielen wie ihm geht es genauso. Wir sind wir und die Deutschen sind die Deutschen. Eine Zugehörigkeit findet nicht statt.

  9. Lempel meint:

    Wie kommen Sie darauf, dass der Vater hier nicht ankommen hat können? Laut dem Artikel hat er hier studiert, hat eine Deutsche geheiratet, mit ihr ein Kind bekommen. Es liest sich so, dass nur sein Beharren auf überkommene Traditionen und patriarchalische Strukturen dafür gesorgt haben, dass er hier wenig integriert ist.

  10. Eva meint:

    Liebe Kaltmamsell,
    völlig losgelöst vom obigen Thema musste ich heute schon sehr an Sie denken:
    Bei arte kam heute unter der Rubrik „zu Tisch“ San Sebastian. Ich könnte mir vorstellen, dass das auch etwas für Herrn Rau und Sie ist.
    Ich persönlich war sehr angetan, weil unser Sohn derzeit in Oñati im Baskenland studiert und er zum Weihnachtsessen Pintxos Gilda beisteuerte. Wir werden an Ostern dort sein und ich werde vorher nochmal Ihre Berichte lesen zwecks Inspiration.
    Danke für die zwei Artikel heute, aufmerksam gelesen und danke für das überhaupt Teilhabenlassen an Ihrem Leben.
    Herzliche Grüße
    Eva

  11. Berit meint:

    Ich finde es faszinierend wie viele hier darauf kommen, dass der Vater Deutschland verabscheut. Ja er ist tief religiös, aber waren sie schon einmal in Bayern? Das ist für mich als jemand der völlig ohne Religion oder religiöses Umfeld groß geworden ist, genau das gleiche.

    Davon abgesehen, glauben Sie bitte nicht das man seine Identität ablegt nur weil man woanders hinzieht, gerade nicht wenn es aus wirtschaftlichen Gründen ist. Wieso soll man seine eigene Persönlichkeit, Werte und Überzeugungen komplett abstreifen, weil man woanders wohnt? Anpassen ja, Kompromisse schließen ja, dazulernen immer, aber deshalb komme ich doch trotzdem aus meinem Ursprungsland.

    Der jungen Frau im Artikel wünsche ich nur das sie irgendwann ihren Frieden mit ihrer Situation schließen kann. Ich stelle es mir ebenso wahnsinnig schwer vor wenn man sich zwischen 2 Eltern “entscheiden” muss, die so grundsätzlich anders ticken.

  12. Trulla meint:

    @Berit
    Es hat doch niemand erwartet oder gar gefordert, die eigene Identität abzulegen. Weder die Religion (auch wenn ich persönlich der Meinung bin, dass darin – egal welche – die Wurzel allen Übels steckt) noch sonstige Gebräuche. Aber Toleranz, die man selbst in Anspruch nimmt, muss doch auch für die andere Seite gelten.
    Ein Vater aber, der seine Tochter mit “Schlampe” tituliert, weil sie einen Deutschen zum Freund hat, ein Vater, der die Überwachung und Verrat des töchterlichen Verhaltens durch seine Community für richtig hält und bei angeblichem “Fehlverhalten” sogar den Kontakt abbricht, der hat m.E. damit deutlich gemacht, dass er die deutsche, freiheitliche Gesellschaft verachtet.

  13. Berit meint:

    @Trulla: Naja…doch :) Ich kann frauenfeindlich und grausam sein und mich trotzdem in Deutschland wohlfühlen, das schaffen auch viele Deutsche ganz hervorragend.

    Mir scheint hier eher als das man sich mehr darauf stützt das der Mann Marokkaner ist, als das er, verzeihen Sie den Ausdruck, einfach nur ein Arschloch ist. Das war er sicher schon vorher und dann zu erwarten, das er es in Deutschland nicht mehr ist – schwierig. Das sein Verhalten falsch ist und einem die Tochter einfach nur leid tun kann, das bestreitet hier denk ich niemand. Aber Integration abzuverlangen, das jemand magisch seine Einstellung und seine Werte ablegt, kann halt nicht klappen, auch wenn ich die noch so falsch finde. In anderen Worten, mich überrascht sein Verhalten nicht und deshalb kann ich mich persönlich darüber nicht mehr aufregen als bei deutschen Männern die das genauso handhaben.

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