Journal Samstag, 23. März 2024 – Abgesoffene Wanderung durch die Maisinger Schlucht
Sonntag, 24. März 2024 um 8:40Gut und lang geschlafen, ich zog den Rollladen zu einem sonnigen Morgen hoch.
Doch wie angekündigt bedeckte sich der Himmel bald. Ich merkte, dass meine Wanderlust auch eine Wanderung in Regen und Sturm einschloss, außerdem war für die Nacht zum Sonntag eine Rückkehr des Winters vorhergesagt, Regen erschien mir immer noch besser als Schnee und Graupel, also los nach Starnberg und durch die Maisinger Schlucht.
Ich nehme vorweg: Da hatte ich mich insgesamt verschätzt. Es regnete energisch. Die superduper Wanderjacke schützte zwar vor nassem Oberkörper und Kopf, doch die Wanderhose ist im Gegensatz zur Jacke nicht dazu gedacht, Regen abzuhalten: Sie zeichnet sich lediglich dadurch aus, dass sie besonders schnell trocknet. Wofür es aber wenigstens hin und wieder eine Regenpause braucht. Blöderweise regnete es durch, und das heftig. Nach einer Stunde, ich war gerade am Ende der Maisinger Schlucht, hatte ich nasse Socken, gegen Wasser aus nasser Hose helfen auch keine ziemlich dichten Lederwanderstiefel. Und nach anderthalb Stunden spürte ich, wie sich meine Unterhose aus der Wanderhose nass sog, jetzt wollte ich wirklich einfach nur heim.
Angefangen hatte das Ganze mit Durcheinander im S-Bahn-Verkehr: Notarzteinsatz auf der Stammstrecke (es ist unwahrscheinlich, dass ich die Inbetriebnahme der zweiten Stammstrecke noch erlebe, die solche Durcheinander reduziert).
Ankunft in Starnberg. Aussicht war aus.
Nachdem mein Weg sich mit dem zweier anderer Wanderer mehrfach gekreuzt hatte (es waren für das Sauwetter überhaupt erstaunlich viele Wandernde unterwegs, ich begegnete fünf weiteren), sprachen sie mich an: Ob ich auch nach Andechs ginge? So erfuhr ich, dass es eine Wanderung Starnberg-Andechs gibt. Wir waren uns einig, dass eine halbe Stunde ohne Regen unserer Kleidung gut täte.
Da das Vergnügen der Draußenbewegung im Regenströmen weniger lang anhielt als vorhergesehen, plante ich um auf Rückfahrt bereits vom S-Bahnhof Possenhofen und strich den Rückweg nach Starnberg über Prinzenweg. Am Bahnhof informierte mich die Anzeige, dass die nächste S-Bahn erst in einer halben Stunde kommen würde, also dreht ich eine Runde durch Pöcking, um nicht zu frieren. Als ich zurück zum Bahnhof kam, war diese S-Bahn gestrichen. Nun verlegte ich mich auf die nächste S-Bahn in die Gegenrichtung nach Tutzing, von dort würde es neben S-Bahnen auch Regionalzüge nach München geben.
Es war schließlich dieselbe S-Bahn, die mich zum Stachus brachte: Weder Fahrpläne noch Angaben in der MVV-App stimmten, das war die nächste Verbindung. Obwohl der Wagen geheizt war, fühlte ich mich durch und durch kalt, die mitgenommene Zeitung war nass und unlesbar, meine klammen Finger konnten eh nicht blättern.
In München hatte es aufgehört zu regnen, ich ging schnell nach Hause und ließ mir ein Bad ein: Ah, das heiße Wasser brachte Gefühl in Füße und Hände zurück. Die armen nassen Wanderstiefel stopfte ich mit (trockenem) Zeitungspapier aus, genau dafür (und für Umzüge) hat man ein Print-Abo. Frühstück um halb drei war dann die eigentlich als Wanderbrotzeit besorgte Nussschnecke, davor ein Apfel. Kurz darauf prasselte es schon wieder gegen die Fenster.
Bügeln unter erschwerten Bedingungen: Eigentlich ist die Haltung am Bügelbrett genau die, in der mein Kreuz derzeit brüllend schmerzt. Ich versuchte also mal Bügeln im Sitzen, gibt genug Menschen, die das immer so tun. Oah, nee, komplexere Stücke wie Blusen kriege ich so nicht in den Griff. Ich wechselte also mehrfach zwischen Stehen und Sitzen. Dabei hörte ich ein BBC-Stück von 2018, zum 40. Jahrestag des Hörspielstarts von Hitchhiker’s Guide Through the Galaxy:
“Don’t Panic! It’s The Douglas Adams Papers”.
Am meisten lernte ich daraus über die damalige BBC (z.B. taucht genau eine Frauenstimme in der Doku auf).
Erdnusskeksteig gekneten für ein Treffen in der Arbeit, Yoga-Gymnastik mit nur Dehnen. Zum Abendessen gab es nach ein paar libanesischen Nüsschen Rahmspinat mit Kartoffeln – irgendwas fehlte, es schmeckte sehr beilagig. Aber ich wurde angenehm satt. Dann noch Schokolade.
§
Hatte ich verpasst: Andrea Diener bloggt wieder! Das darf sie “Newsletter” nennen, so lang sie möchte.
In “Aufblasflamingos und andere Obsessionen” schreibt Andrea:
Auf Urlaubsfotos, die ich mag, müssen Menschen abgebildet sein, nicht nur Sehenswürdigkeiten. Und zwar alle Menschen. Solche, die man kennt, wegen der persönlichen Erinnerungsfunktion. Aber auch solche, die nur zufällig im Bild sind.
Nicht nur bei Urlaubsfotos. Ich möchte mich sehr nicht in eine Reihe mit Fotografinnen des Kalibers von Andrea Diener stellen, ich knipse wirklich einfach nur herum, doch wenn möglich warte ich mittlerweile immer darauf, dass mir jemand ins Bild läuft, fährt, radelt – weil Menschen und Geräte das Foto zeitlich verankern. Auch das ein Beitrag zu “Ja, jetzt ist das langweilig. Aber in zwanzig Jahren!”
An den beschriebenen “trigger” kommen bei mir fotografierende Menschen heran, die halte ich besonders gern fotografisch fest – mit dem Problem, dass ich mich eigentlich nicht traue, fremde Menschen ohne ihre Einwilligung zu fotografieren. Wenn ich mich das traue, traue ich mich wiederum nicht, das Foto zu veröffentlichen – zumindest ist der Augenblick festgehalten.
§
Die Übertragung von Literatur ins Medium Film ist immer spannend. Hier lässt sich Fatih Akin zu seiner Verfilmung von Tschick ausfragen – ich habe eine Menge gelernt.
https://youtu.be/eSm1FqDyUX0?si=UMrbtwxmmqWMwS9c
Nebeninformation: Es gibt eine Website Tschickucation, eine Initiative der Familie Herrndorf, mit Schulmaterial zum Thema:
Du liest „Tschick“ im Deutschunterricht? Dann kann dir diese Seite helfen, den Roman besser zu verstehen.
§
Abschließend eine Durchsage der Sprach-Hausmeisterin (ich glaube, die kommt jetzt öfter vorbei und der ist deskriptive Linguistik total wurscht):
Es heißt “Mundpropaganda”.
In den vergangenenen Monaten begegnet mir immer wieder “Mund-zu-Mund-Propaganda” – was soll das bitte sein? Tröpfcheninfektion?
Nein, der Duden kennt auch nur “Mundpropaganda”.
(Sie dürfen mich hier übrigens jederzeit auch hausmeistern. Vielleicht können wir sogar streiten! Mit solchen Nebensachen könnten wir Streiten üben.)
7 Kommentare zu „Journal Samstag, 23. März 2024 – Abgesoffene Wanderung durch die Maisinger Schlucht“
Sie möchten gerne einen Kommentar hinterlassen, scheuen aber die Mühe einer Formulierung? Dann nutzen Sie doch den KOMMENTAROMAT! Ein Klick auf einen der Buttons unten trägt automatisch die gewählte Reaktion in das Kommentarfeld ein, Sternchen darüber und darunter kennzeichnen den Text als KOMMENTAROMAT-generiert. Sie müssen nur noch die Pflichtfelder "Name" und "E-Mail" ausfüllen und den Kommentar abschicken.
24. März 2024 um 9:19
Ganz einfach: Doppelt hält besser, daher ist Mund-zu-Mund-Propaganda wirksamer als Mundpropaganda.
24. März 2024 um 11:14
Wenn man halt ans Knutschen denkt und einen ernsthaften Text schreiben muss, kommt es zu solchen Schöpfungen. Eigentlich müsste ich Neuschöpfung schreiben, das machen jetzt die meisten.
Und Danke für den Tipp mit dem Blog von Andrea Diener.
Ich mochte sie so gerne lesen. Und ihre Fotos waren immer sehr gut. Alles hatte Stil, sie auch. Ich sehe sie heute noch mit langen Handschuhen in einem offenen Auto eines leider mittlerweile sehr abgedrehten Bloggers sitzend.
24. März 2024 um 11:29
Ich kenne auch nur Mund-zu-Mund-Propaganda. Wieder was gelernt.
Und Eier! Es fehlten Eier! Oder Fischstäbchen.
24. März 2024 um 11:30
Ich hatte bisher angenommen, da hätte jemand “Mundpropaganda” mit “Mund-zu-Mund-Beatmung” vermischt und weil es schnell in viele Hierne eingedrungen ist, hat es sich rasant verbreitet
24. März 2024 um 13:06
Mund-zu-Mund-Propaganda ist wirklich harter Tobak und in keinster Weise richtig.
24. März 2024 um 19:13
Bügeln ist überbewertet!
24. März 2024 um 23:33
Der Duden kennt wohl beides?
https://www.duden.de/rechtschreibung/Mund_zu_Mund_Propaganda
Wie Korrekturen es beschreibt:
(https://www.korrekturen.de/beliebte_fehler/mund-zu-mund-propaganda.shtml)
“Die Schreibung »Mund-zu-Mund-Propaganda« beruht vermutlich auf einer assoziativen Parallelbildung zur »Mund-zu-Mund-Beatmung« in Verbindung mit der Vorstellung, dass die mündliche Weitergabe »von Mund zu Mund« – als Pars pro Toto für »von Person zu Person« – erfolgt. Sie hat sich umgangssprachlich bereits stark durchgesetzt, so dass sie nach Duden nicht mehr als falsch anzusehen ist.”