Familienalbum – 7: El Pozo
Sonntag, 7. August 2005 um 22:56Dieses Foto muss eine optische Täuschung sein: Mein Vater (der Herr auf dem Foto) ist nicht besonders groß, also wirkt es, als wäre der Rand des Brunnens hinterm Landhaus meiner spanischen Großmutter nicht mal einen Meter hoch. Dabei könnte ich schwören, dass er zu meinen Kindertagen ungeheuer gigantomantös riesenhoch war. Der Deckel des Brunnens war ja immer runtergeklappt und mit Steinen beschwert, wenn ich also hineinschaun wollte, musste mir ein Erwachsener helfen. Damit ich über den Rand schauen konnte, musste mich mein Vater hochheben, sooooo hoch war der Brunnen! Und als ich alt genug war, selbst Wasser zu holen, mühte ich mich sehr, den vollen Eimer möglichst verlustfrei über den Rand zu wuchten.
Das Wasser aus dem Pozo war herrlich klar und kühl. Während unserer Aufenthalte dort auf dem Land wurden immer morgens Eimer für Eimer einige Plastikwannen gefüllt und in die Sonne gestellt. Bis zum Nachmittag war das Wasser warm und wir Kinder konnten darin plantschen.
Die Buchstaben auf dem Brunnen, V y A, so denke ich mir heute, bezeichnen wohl die Besitzerinnen, nämlich meine Großmutter Agustina und ihre Schwester Vitoria. Das drunter soll ein Totenkopf sein, wie mir seinerzeit jemand auf Anfrage erklärte: Alle hatten große Angst, dass eins von uns Kindern in den Brunnen fallen könnte.
Seit vielen Jahren gibt es fließendes (gechlortes) Wasser im Dorf. Es kostete einen Pauschalbetrag, also verbrauchten meine Verwandten soviel davon wie möglich (um das Geld dafür wieder reinzuholen). Den Brunnen brauchten sie nun nicht mehr und mauerten ihn ebenerdig zu.
die Kaltmamsell4 Kommentare zu „Familienalbum – 7: El Pozo“
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8. August 2005 um 8:58
Bei steigenden Wasserpreisen kann ich einen Schlagbrunnen nur empfehlen.
Das mit der gigantomanischen Größenwahrnehmung hat mit dem Design des Brunnens zu tun. Deshalb konnte man auch nicht reinfallen. ;-)
8. August 2005 um 9:55
Ich bin ja sehr angetan von ihren Familienphotos. Das Phänomen der Schrumpfung der Welt kennt man natürlich, da haben sich ja ganze Häuser, Städte und Kontinente so radikal verkleinert, man ist immer ganz enttäuscht.
8. August 2005 um 15:51
Was mir sofort ins Auge springt, sind die Flip Flops. ;-)
8. August 2005 um 19:12
Ach ja, Zorra, damals war flipflops noch ein englisches Wort und die Schlappen wurden wirklich nur als Badelatschen getragen. Wunderbare Zustände…