Journal Sonntag, 9. Juni 2024 – Europawahlhelfen

Montag, 10. Juni 2024 um 6:09

Recht gute Nacht, aber der Wecker klingelte halt um halb fünfsechs fürs Wahlhelfen.

Der schnelle Schluss-Check des bereits geschriebenen Blogposts scheiterte an Online-Unerreichbarkeit des Blogs; zum Glück war auch Herr Kaltmamsell wegen Arbeitsdruck früh wach und kümmerte sich als Blog-Heinzelmännchen. Ich finalisierte den Text offline und legte das Veröffentlichen in seine Hände. Klappte auch kurz vor meinem Verlassen des Hauses.

Mein gestriger Einsatzort war die nahe gelegene Grundschule in der Tumblingerstraße, die ich schon von vorherigem Wahlhelfen kannte: Die dortige Turnhalle teilte sich mein Wahlkreis mit einem weiteren, es waren ab sieben genügend Helferinnen für den Aufbau vor Ort (Tische/Wahlkabinen/Stühle/Wegweiser/Hinweisschilder).

Papier mit Aufschrift „Karton zum Abdecken der Wahlurne“

Erstmals stellte das Wahlamt einen designierten Pappadeckl zum Abdecken des Einwurfschlitzes an der Wahlurne bereit; meine Aufgabe als Stellvertretende Wahlvorsteherin war u.a. die Betätigung desselben.

Die vorhergehende Wahlhilfe war ja so anstrengend gewesen, dass ich vorübergehend die Lust verlor, mir dann aber für die wirklich einfach zu handhabende Europawahl nochmal einen Ruck gab. Das war eine hervorragende Idee: Super Team, super Zusammenarbeit, schön viele und bunte Wähler*innen, darunter zahlreiche quietschjunge Erstwähler*innen. Jetzt bin ich wieder hoch motiviert für die nächsten Wahlen: Ohne Wahlhilfe keine Wahlen keine Demokratie, ich stehe auf Demokratie, Wahlen müssen sein, Wahlhilfe ist mein Mindestmaß an Demokratie-Stütze.

Nach meiner Vormittagsschicht ging ich am Kaiser-Ludwig-Platz selber wählen (das Münchner Wahlamt hat inzwischen den Ablauf stark formalisiert, die Kolleg:innen in diesem Wahlraum machten alles exakt so wie wir), dann nach Hause. Herr Kaltmamsell sorgte für Mittagessen – er selbst war als gemeldeter Wahlhelfer stand by für eventuelle Ausfälle am Wahltag, wurde aber nicht benötigt. Es hatte ein Missverständnis in der Essensplanung gegeben, deshalb begann er erst bei meinem Eintreffen mit Kochen.

Gedeckter Tisch, im Vordergrund ein weißer Teller mit langen Nudeln, Speck und geriebenem Käse. im Hintergrund eine schwarze Pfanne mit langen Nudeln

Es gab Bucatini alla carbonara, wunderbar.

Den Nachmittag verbrachte ich mit Zeitunglesen, Brudertelefonat, einer sehr schönen Stabi-Einheit Pilates.

Auf dem Weg zurück zum Wahllokal zum Auszählen regneten mich ein paar Tropfen an, es war schwül. Das Team arbeitete auch in dieser Phase gut und flott zusammen, wir waren zeitig fertig (nur wenig nach dem anderen Wahllokal-Team im Raum).

Turnhallenwand mit Tür, links davon ein Basketball-Korb, darüber eine Uhr mit Zeigern auf 19:46 Uhr, rechts davon eine gelbe Tonne mit dem Wappen von München

So war ich tatsächlich schon zur Tagessschau daheim. Aus der ich dann niederschmetternde Nachrichten übers Wahlergebnis erfuhr. Ich will einfach nicht glauben, was sie über die Wähler*innen aussagen.

Zum Abendessen gab es Käse, Kiwi mit Sojajoghurt, Schokolade.

Vorbereitungen des Arbeits-Montags, draußen regnete es sich ein.

die Kaltmamsell

16 Kommentare zu „Journal Sonntag, 9. Juni 2024 – Europawahlhelfen“

  1. Rainer meint:

    Danke für den Wahlhelfer Einsatz… ich glaube ich mach das auch mal…
    Kann dem Entsetzen nur zustimmen, vor allem als die Wahlanalyse der ErstwählerInnen zwischen 16 und 24 erläutert wurde sowie die Ergebnisse einzelner Bundesländer. Da wird’s einem Angst und Bang vor den nächsten Wahlen.

  2. Christine meint:

    Das Ergebnis ist ja leider doch eher beängstigend. Aber war bestimmt spannend mit den Erstwählern. Mal eine Frage an die Expertin: Muss der Ausweis nicht kontrolliert werden?

  3. die Kaltmamsell meint:

    Ich bin keine Expertin, Christine, für rechtlich belastbare Expertenauskünfte müssten Sie sich an Ihr Wahlamt wenden.

    Laut Wahlhelfendenschulung muss der Ausweis nicht kontrolliert werden, wenn die Wähler*innen ihre Wahlbenachrichtigung vorweisen. Diese ist persönlich adressiert, in Deutschland gilt das Briefgeheimnis: Wenn Wähler*in einen fremd-adressierten Brief öffnet, begeht er oder sie eine Straftat. Die Wahlhelfenden gehen nicht davon aus, dass Straftäter*innen vor ihnen stehen.
    Bei Zweifeln an der Identität (z.B. große Diskrepanz zu den Angaben im Wählerverzeichnis) können sie aber um Abgleich mit dem Ausweis bestehen.

  4. die Kaltmamsell meint:

    Ich empfehle Wahlhilfe sehr, Rainer, und sei es, um einmal eien Begriff, von dem Aufwand, der Sorgfalt und den Regeln im Hintergrund zu bekommen. Für mich immer wieder Boost meines Vertrauens in unsere demokratischen Strukturen.

  5. Berit meint:

    @Christine Bei uns wurde auch kein Perso kontrolliert, das ist jetzt aber schon seit ein paar Jahren so. Lt Brief soll man ihn trotzdem dabei haben. Find ich persönlich nach wie vor…ungünstig auch wenn Kaltmamsells Begründung sicher schlüssig ist.

    Ansonsten stimme ich dem allgemeinen Tenor über grade bei Jungwählern erschütternden Ergebnissen zu.

  6. Rainer meint:

    Ich wäre auch dafür, den Perso zu kontrollieren. Wenn einer dem Opa oder der Oma klar macht, dass man das wählen für sie übernimmt und dadurch eine Verzerrung entsteht, dann sollte der Mehraufwand dafür gerechtfertigt sein.

  7. Trulla meint:

    Wie @Rainer sagt.

    Meine Mutter bekam automatisch zu jeder Wahl die Unterlagen für die Briefwahl in ihr Pflegeheim zugeschickt (sie hatte die Alzheimerdemenz) und ich als ihre Betreuerin hätte (wie möglicherweise andere es taten) nach meinem Gusto wählen können. Obwohl ich in ihrem Fall genau wusste, welche Entscheidung sie – bei Verstand – getroffen hätte nach über 60 Jahren Jahren Mitgliedschaft in “ihrer” Partei, hielt ich es grundsätzlich für nicht anständig, trotzdem die Kreuze zu setzen.
    Im Nachhinein finde ich mich doch schön blöd.

    Die weitergehende Frage wäre, ob und unter welchen Umständen Bürger* überhaupt ihr Wahlrecht verlieren? Die Entscheidung über den selbstbestimmten Tod wurde jedenfalls bisher bei Demenz aberkannt, selbst wenn er/sie bei geistiger Klarheit entsprechend vorgesorgt hatte.

  8. Annbellis meint:

    Ich habe auch nicht für meine demente Mutter gewählt, ich hatte es mir überlegt, aber es erschien mir übergriffig. Was anderes wäre es gewesen, hätte sie – noch bei vollem Verstand – gesagt: Wenn ich einmal nicht mehr kann, wähle bitte du für mich in meinem Sinn.

  9. die Kaltmamsell meint:

    Für eine Briefwahl anstatt Ihrer Mutter, Trulla, Annbellis, müsste Sie deren Unterschrift auf dem Wahlschein fälschen, ohne den die Briefwahl nicht gilt. Das ist eine Straftat.

  10. caille meint:

    Hier in Berlin musste ich meinen Personalausweis zeigen (soweit ich mich entsinne, tue ich das schon immer) bzw. reagiere auf die Frage, ob ich ihn dabei habe, mit Vorzeigen.
    Dass das an meinem geschlechteruneindeutigen Vor- bzw. Rufnamen liegt, kann ich mir inzwischen weniger vorstellen.

  11. Frau Mirtana meint:

    @Rainer:

    Ich kann nicht sagen, wie das in Bayern/München organisiert ist und ob die Wahlbenachrichtigungen bundesweit einheitlich sind.

    In meiner Stadt sind auf den Wahlbenachrichtigungen Nummern aufgedruckt, unter der man im Wählerverzeichnis die vor einem stehende Person findet. Und es fällt mir als Wahlhelferin durchaus auf, wenn der 1937 geborene Herr sich in den letzten sechzig Lebensjahren nicht verändert haben will … Viele Menschen zeigen auch freiwillig den Personalausweis vor, trotz Wahlbenachrichtigung. Wir haben dann halt einen kurzen Blick darauf geworfen und gut ist.

    Alles in allem machen Wahlhelfer ihre Aufgabe gründlich. Und sollte man Zweifel daran haben: jeder darf sich in ein Wahllokal setzen und die Arbeit der Wahlhelfer beobachten.

    Vermutlich wird es Fälle geben, wo Menschen für nicht mehr geschäftsfähige Angehörige die (Brief)-Wahlunterlagen ausfüllen. Ich bezweifle allerdings, daß die paar Fälle tatsächlich die Ergebnisse bemerkenswert verzerren.

  12. Trulla meint:

    Liebe FraKaktnamsell, zu der Zeit hätte meine Mutter wohl noch unterschreiben, nicht aber die Kreuze kontrollieren können.

  13. Trulla meint:

    Liebe Frau Kaltmamsell, zu der Zeit hätte meine Mutter wohl noch unterschreiben, nicht aber die Kreuze kontrollieren können.

  14. Richensa meint:

    Ich habe in Brandenburg an der Havel auch wahlgeholfen und bin immer noch fassungslos: in meinem Wahllokal ca 30% bei EU-Wahl AFD und kommunal noch mehr.
    Zudem saß bei der Auszählung von Anfang bis Ende ein mutmaßlichen AFDler dabei, hat zwischendurch versucht, zu pprovozieren. Am Ende saßen wir alle still da und hörten zu, wie unsere Zahlen per Telefon schnellgemeldet wurden. Ich bin kurz nach Mitternacht zu Hause gewesen und habe geweint…

  15. Christine meint:

    Och naja, also rein theoretisch kann ich dann also meine Stimme an eine etwa gleich alte Dame verschenken oder verkaufen und die wählt dann 2x. Würde ja dann nicht auffallen, wenn es 2 unterschiedliche Bezirke sind (oder sie selbst Briefwahl macht). Interessant. Nicht das ich das tun würde oder prinzipiell annehmen würde das Leute das tun, aber es wäre ohne Ausweiskontrolle ja super easy möglich. War mir nicht klar. Hätte aber ja auch sein können, bei uns auf dem Dorf sparen sie sich das, weil man die paar Einwohner ja eh kennt. ;)
    Meine schönste Wahlgeschichte ist aber die Bürgermeisterwahl. Es gab nur einen Kandidaten und der muss sich dann anscheinend nur selber wählen und fertig. Da habe ich doch ein bisschen am Sinn der Wahl gezweifelt. Reaktion: “Mögen Sie unseren Bürgermeister etwa nicht?????” :P

  16. die Kaltmamsell meint:

    Ach, das tut mir so leid, Richensa. Solch einen “Walhbeobachter” hatte ich bei der Bundestagswahl 2017 im Nacken, der beim Auszählen zu allem Erklärungen einforderte. Damals war das Phänomen noch unbekannt, mittlerweile gibt es dazu in den Wahlhilfeschulungen Hilfe.

    Kriminelles Verhalten, absichtliche Rechtsbrüche werden bislang bei den Wahlen nicht vorausgesetzt, Christine. Aber wenn Menschen das auszunutzen, gibt’s halt noch mehr Vorschriften, noch mehr Regeln und Kontrollen – über die sich dann trefflich als wachsende Bürokratisierung polemisieren lässt. Erkennen Sie den Mechanismus?

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