Journal Dienstag, 11. Juni 2024 – Hochdruckbüro und Diskutieren für die Wissenschaft

Mittwoch, 12. Juni 2024 um 5:53

Guter Schlaf – bis mich um vier laute Gespräche vor dem Schlafzimmerfenster weckten und ich nicht wieder richtig einschlief.

Zu düsterem Himmel aufgestanden, es war deutlich kühler geworden. Wieder fühlte ich mich kränklich, erinnerte mich auch an Schwäche am Montag im Büro. Auf dem Fußmarsch in die Arbeit (der Kapuzenmantel war bei Nieselei eine gute Wahl) und über den Vormittag wurden die Erkältungssymptome stärker (Luftröhren- und Halsweh, brennende Haut) – aber nicht wirklich böse.

In der Arbeit Unruhe – wobei mir ganz recht ist, dass ich sie explizit erzählt bekommen muss, wenn die Leute vor allem von daheim aus arbeiten: Die Zeiten, in denen mit Vollbesetzung in Unruhephasen die Luft auf den Gängen brannte, wünsche ich mir wirklich nicht zurück.

Der Isarpegel schien endlich wirklich zurückzugehen, deutlich unter die Hochwassermeldestufe.

Mittagscappuccino bei Nachbars.

Eine Kaffeebar, über der Theke hängen Girlanden in der Farben der deutschen Nationalfahne

Meine Güte, erschreckt mich doch nicht so: Beim Betreten der Cafeteria hielt ich reflexartig die Luft an und war bereit, erste Folgen des Europawahlergebnisses zu erkennen. Zum Glück fiel mir schnell die hereinbrechende Männerfußball-Europameisterschaft ein.

Zu Mittag gab es eine große Mango mit Sojajoghurt.

Der Nachmittag wurde dann brutal mit einigen Hochdruckdingen gleichzeitig. Ich musste auch nochmal beruflich aus dem Haus, rannte fast. Noch ein Glück, dass ich spätestens um halb sieben daheim sein musste, sonst wäre es im Büro noch länger geworden.

Rückweg um die Theresienwiese mit Soundcheck für das Fan Fest Euro 2024 am Mittwoch (große Rührung, als eine Gitarre den Sound mit den ersten Akkorden von “Hells Bells” testete): Beim Heimkommen stellte ich fest, dass wir in anderthalb Kilometer Abstand zur Bühne locker mitsingen können werden. Bei geschlossenen Fenstern.
No na, dann weiß endlich auch ich, welche Musik Nelly Furtado und Ed Sheeran eigentlich machen.

Der Termin, zu dem ich daheim sein musste: Ich nahm an einem Versuch zu Diskussionskultur des „Lass uns reden“-Teams der Uni Mannheim teil. (Ich bin seit Jahren in einem Panel für wissenschaftliche Studien und werde immer wieder zu Umfragen angeschrieben – sehr super.)

Vor ein paar Wochen hatte es eine Online-Vorbefragung gegeben, einige Termine für Online-Diskussion zur Auswahl, der gestrige war der einzige nach Feierabend. Für die Diskussion bekam ich dann ein Pseudonym zugeteilt (ach, die seligen Zeiten der Nicks!), las eine Geschichte, an deren Ende es hieß: “Wie soll Sabine sich entscheiden?” Und dazu gab es eine Chat-Diskussion.

Eigentlich waren wir nach 20 Minuten durch, plänkelten noch ein wenig weiter, unter anderem fand ein*e Teilnehmer*in heraus, dass unsere Pseudonyme fast alle Namen von Sternen waren (<3). Ich hatte den Eindruck, dass der größte Unterschied nicht in Meinungen bestand, sondern in der Vertrautheit mit Chat-Diskussionen (strich sie sich ihren langen Internet-Bart).

Dass ich nebenbei frisch geknipste Nägel feilte, war sicher ok.

Zum Nachtmahl machte Herr Kaltmamsell währenddessen getrennt Linsen und Polenta (beide aus heimischem Anbau), das war genau das richtige Essen für den kalten Tag.

Schon am Montagabend hatte ich Gabriele Tergit, Käsebier erobert den Kurfürstendamm ausgelesen – endlich. Für den Roman hatte ich selten viel Zeit am Stück, er gefiel mir dennoch, aber er konnte mich so nicht fangen. Erstaunlich fand ich meine konstante Assoziation mit der Signa-Pleite, auch vor fast hundert Jahren bestand die Baubranche zu großen Teilen aus Halunken. Nächste Lektüre rechtzeitig frei in der Münchner Stadtbibliothek: Ulrike Draesner, Die Verwandelten. Ich begann im Bett zu lesen, und Draesners Erzählweise fing mich sofort, schon die Beschreibung der ICE-Fahrt, mit der der Roman beginnt:

Vor den Fenstern schwamm die Winternacht. Leise summend, fast lautlos glitt der ICE durch ihre Dunkelheit auf Hamburg zu, eine leuchtende, biegsame Stahlnadel, gezogen durch den Saum eines dunklen Kleides.

Doch das ist pragmatische Poesie, der Grundton ist lakonisch bis selbstironisch:

Wir, die Babyboomer, Generation Eigenschaftslos, schoben uns als Wählerbalken die Alterspyramide hinauf.

Ich musste mich mit Kraft losreißen, um nicht zu spät einzuschlafen: Der Mittwoch würde wieder Energie kosten.

§

Kristian Köhntopp erklärt mir und meiner Altersgruppe in seinem Blog nachvollziehbar:
“Die Welt Deiner Kindheit existiert nicht mehr”.

§

Immer eine entspannende Labsal: Der instagram-Kanal London Suburbia.

die Kaltmamsell

5 Kommentare zu „Journal Dienstag, 11. Juni 2024 – Hochdruckbüro und Diskutieren für die Wissenschaft“

  1. Miriam meint:

    Danke für die 2 schönen links, der erste erhellend, der zweite wirklich originell, auch die Texte!

  2. Joriste meint:

    vielen Dank auch von mir für die Links. (Neben einem der Häuser hab ich mal gewohnt, hachz. Und Londonlebenvermissung)

  3. Chris Kurbjuhn meint:

    Bitte, belassen Sie’s nicht beim “Käsebier”. Lesen Sie bitte auch die “Effingers”, ein ganz anderes, wunderbares, großes Buch.

  4. die Kaltmamsell meint:

    Schon erledigt, Chris Kurbjuhn:
    https://www.vorspeisenplatte.de/speisen/2021/12/buecher-2021.htm

  5. Chris Kurbjuhn meint:

    Sorry, war mir unerklärlicherweise entgangen.

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