Journal Karsamstag, 19. April 2025 – Mit Besuch zu Archäologie und in den Münchner Frühling

Sonntag, 20. April 2025 um 9:40

Die Nacht ein wenig unruhig, aber lang genug für ausgeschlafen. Ich stand zu wolkenlosem Sonnenschein auf, die Wetter-App zeigt erst für nächsten Mittwoch eine Regen-Möglichkeit an, doch das ist zu weit weg, als dass ich es ernst nehmen könnte.

Nachdem ich Waschmaschine angeschaltet und Frühstücksmilchkaffee serviert hatte, sah ich nach der Zeitung. Vergangene Woche waren wieder Zeitungssuchtage, jeden Tag an einer anderen Stelle abgelegt (vereinbart wäre, wenig überraschend, Briefkasten): Hoftor, eigenes Stockwerk, vor der Haustür, gar nicht, Briefkasten, aber erst im Lauf des Vormittags. Gestern eine ganz neue Variante:

Blick von innen auf die Außentreppe eines Hauseingangs, rechts im Handlauf steckt eine zusammengefaltete Zeitung

Ich hoffe, diese tägliche Sucherei geht bald vorüber, vorerst gehe ich von einer Urlaubsvertretung an.

Hauptprogrammpunkt für gestern war Besucherin aus der Schweiz, mit der ich mich mittags für die Archäologische Staatssammlung und Zusammensitzen verabredet hatte. Davor war reichlich Zeit für Bloggen, Zeitunglesen, eine Einkaufsrunde.

Stadtstraße mit Altbauten in der Sonne, links gesäumt von rose blühenden Bäumen

Nahaufnahme rosa blühende Bäume im Gegenlicht, im Hintergrund Altstadt-Straßenkreuzung

Die Pettenkoferstraße zwischen Goethe- und Paul-Heyse-Straße entwickelt sich zu einem weiteren Münchner Zierkirschblüten-Hotspot. Lebensmittelkauf in Vollcorner, und weil ich dort nicht alles bekam, im Edeka darunter.

Aufsicht auf zwei Bratreinen voller panierter, gebratener Brotscheiben in Weißwein schwimmend

Daheim duftete die Wohnung nach der Kaltmamsell’schen und spanische geprägten Kar-Tradition Torrijas: Dieses Jahr hatte Herr Kaltmamsell übernommen.

Gründliches Sonnencremen, denn Draußenaufenthalt war an diesem Nachmittag durchaus einkalkuliert, bevor ich in kurzen Ärmeln einmal quer durch die Fußgängerzone und über den Hofgarten zur Archäologischen Staatssammlung ging, im dichten Karsamstagsvolk in Slalombewegungen.

Gehweg-Plaster in der Sonne, darauf die Abdrücke eines nassen, nackten Fußes, links Menschen, die nach links sehen, im Hintergrund frühlingsgrüne Bäume

Menschentrauben am Brückengeländer zur Eisbachwelle, nach einem schweren Unfall am Mittwochabend aber auch Rettungs- und Polizeiwagen (derzeit beäuge ich sie besonders misstrauisch, nicht dass einer plötzlich in Martinshorn ausbricht). Die nassen Fußspuren wiesen allerdings darauf hin, dass die Sperrung, von der in der Zeitungsmeldung die Rede ist, wieder aufgehoben wurde.

Gleichzeitig mit Besuch Frau Brüllen traf ich an der Archäologischen Staatssammlung ein, Freude und aufgeregtes Geschnatter von beiden Seiten. Ich hatte vorgeschlagen, dass wir uns einzeln durch die Ausstellung bewegten, denn für mich war es der zweite Besuch, für sie der erste, außerdem wusste ich von anderen seltenen Freundinnentreffen, dass ich sonst so schnell ins Gespräch mit ihr abzweigen würde, dass das Museum keine Chance mehr hatte. Was ich mir dadurch allerdings nahm: Ihre Perspektive als Ausgrabungserfahrene zu hören (ein paar Einordnungen bekam ich aber nachträglich).

Schmalseite einer ausgeleuchteten Museumsvitrine, darin verbogenes und schmutziges Geschirr gestapelt

Funde aus dem Münchner Marienhof bei Grabungen zur zweiten S-Bahn-Strecke.

In den Boden eingelassener Museumsschaukasten mit ausgegrabenen Alltagsgegenständen, dahinter hockt eine Person mit kurzen Haaren, die einige davon genau ansieht

In diesem Raum werden Grabungsfunde ja in der Auffindeumgebung im Boden präsentiert, zu jedem Kasten per Audioguide die ausführliche Geschichte und Anlyse (auch wenn sie in “wissen wir nicht” endet). Ab hier beschloss ich, ALLES anzusehen/zu lesen/anzuhören/zu klicken, auch wenn ich dadurch nicht die ganze Ausstellung schaffen würde, denn: Ich wohne doch in München, den Rest nahm ich mir halt für den nächsten Besuch vor. Das war eine sehr gute Idee, ich lernte eine Menge – bis ich nicht mehr aufnahmefähig war.

Museumsschaukasten mit prähistorischen Funden, ein Figürchen trägt ein Osterei mit schwarzer Bemalung im Stil Höhlenmalerei

In zahlreichen Exponaten waren Ostereier versteckt/eingelegt – eine Osteraktion für Kinder.

Durch ein großes Fenster Blick ins sonnige Draußen auf eine Dachterrasse mit Schirmen, Stühlen und Tischen, dahinter blauer Himmel und Bäume mit erstem Frühlingsgrün

Die sehr attraktive Dachterrasse des Museums – gestern allerdings nicht geöffnet.

Aus den zahllosen Möglichkeiten, einen gemeinsamen Nachmittag bei diesem sensationellen Wetter mitten in München zu verbringen, schlug ich einen kurzen Spaziergang an Isar und Auer Mühlbach zum Müller’schen Volksbad vor, dort Einkehren in der Rustikeria zur florentiner Schiacciata, von der ich seit dem ersten Besuch dort lebhaft träume. So machten wir das.

Blick hinunter auf ein Flussbett mit sehr wenig Wasser, links und rechts Mauern und Bäume, im Hintergrund Altstadttürme

Die Isar lieferte.

Alte Ufermauer mit steinernen Verzierungen, dahinter sonnenbeschienener lichter Wald

Holzsteg unter einer Brücke, rechts an einem Mauervorsprung ein kleines gesrühtes Tentakelmonster, dahinter Blick auf sonnige Flusslandschaft

Monsterchen an Mauersteg

Unter einer steinernen Brücke Blick auf besprühten Brückenpfelier, sonniges Wasser, hellgrüne Bäume

Im Vordergrund ein Mauervorsprung, dahinter Bach und sonnig lichte Bäume

Zu meiner Erleichterung hatten wir im Hof des Müller’schen Volksbads (mit Baugerüst) große Auswahl an freien Tischen.

Gedeckter Tisch in Blatt-gefilterem Sonnenlicht, darauf zwei Bretter mit belegter Foaccia, zwei Gläser mit orangem und ros Getränk, Wassergläser, Wasserflasche

Meine Schiacciata mit Schinken, Gorgonzola, gegrillter Paprika schmeckte hervorragend, der Drink dazu – Spritz biondo mit Crodino – schön erfrischend bitter.

Und dann saßen wir da in wunderschönem Licht. Ich genoss es sehr, so viel gemeinsame Zeit zu haben, dass wir vom Abhaken zentraler Lebensinformationen über Austausch von praktischen Alltagsinfos (welche Erfahrungen hast du mit deiner Turnschuhmarke ich spiele mit dem Gedanken Ähnliches zu kaufen?) und Erfahrungen mit Gemüseanbaugenossenschaften auch tiefer rutschten zu den Dingen, die uns gerade bewegen, die uns vielleicht erst im Gespräch bewusst wurden.

Der Besuch fuhr zurück zur Restfamilie nach Fürstenfeldbruck, ich spazierte mäandernd heim mit viel Gucken: Die Isarbänke schwarz vor fröhlichen Menschen, auf jeder Brücke vor allem junge Menschen in die eine oder andere Richtung, oft ein Getränk in der Hand, alle Außenbereiche der Gastronomie wurrlig von Gästen – einfach herrlichstes Stadtleben.

Alter Park-ähnlicher Friedhof mit blühenden Bäumen in schrägem Sonnenlicht

Auch der Alte Südfriedhof kann Kirschblüte.

Alter, Park-ähnlicher Firedhof mit blühenden und grünenden Bäumen

Dieses Licht!

Daheim erbat ich zehn Minuten Verschiebung des (bewunderswert immer auf die Minute servierten) Abendessens, ich sehnte mich sehr nach einer Einheit Yoga-Gymnastik. Auch das war drin, und dann gab es aus Ernteanteil-Lauch und -Kartoffeln Kartoffel-Lauch-Auflauf aus den Vogesen.

Gedeckter Tisch mit grünen Sets, auf einem großen Glasteller im Vordergrund Auflauf aus Kartoffeln, Lauch, Kasslerstücken

Sehr gut – wenn auch die Oberfläche ein wenig zu hart und trocken für unseren Geschmack war, das nächste Mal bleibt der Deckel wohl bis zum Schluss auf dem Topf. Nachtisch Torrijas, ganz hervorragend.

§

Diese Techniktagebuch-Geschichte werde ich meinem Arbeitgeber zur illustration von “angewandter Forschung” anbieten:
“#wasfehlt: Der elektronische Hundeabstandshalter”.

die Kaltmamsell

Journal Karfreitag, 18. April 2025 – Vergebliche Hoffnung auf Regen

Samstag, 19. April 2025 um 7:33

Gut und lang geschlafen, zuletzt aber so anstrengend geträumt (Anruf von spanischer Tante auf Spanisch auf meinem Handy, das ständig aussetzte oder der von Lärm gestört wurde), dass ich lieber aufstand. Draußen dunkler Himmel, kühle Luft.

Gemütlich gebloggt, daneben ein neues Brotrezept ausprobiert, dessen Ergebnis hoffentlich dem Finnenbrot vom Rischart ähnelt: Dänisches Roggenbrot.

Erst bei späterem Rumklicken im Blog lernte ich, dass dort unter “Sauerteig-Starter” gekauftes Packerl verstanden wird und nicht was die Durchschnittsbrotbäckerin im Schraubglas im Kühlschrank züchtet. (Der eigene Sauerteig zahlt halt nicht als Werbepartner.) Der Teig verhielt sich aber auch mit meinem Anstellgut angemessen.

Zur Schwimmrunde im Olympiabad nahm ich extra das Rad, um dem dunklen Himmel einen Anreiz zum Regnen zu verschaffen. Ging nicht auf. Nur hundert Kilometer südlich und südwestlich sieht das ganz anders aus: Starkregen und Schnee.

Angenehmes Schwimmen: Nicht zu viel los, freundliche Menschen, funktionierender Körper, genug Energie und Kraft.

Auf dem Heimweg Semmelkauf, zwei Körnersemmeln gab es daheim nach einem Apfel kurz vor zwei zum Frühstück.

Ruhiger Lesenachmittag (Internet, Süddeutsche, aktuelles und vergangenes SZ-Magazin), draußen hin und wieder Sonnenschein. Der zog mich dann doch raus zu einem Schaufensterbummel, die Fußgängerzone auch am Feiertag nicht ganz den Tourist*innen überlassen, nicht wahr.

Dunkles Kastenbrot mit Haferflockenkruste von oben auf Kuchengiter, dahinter Kaffeedose, Salzdose, Glas mit Küchengeräten

Dunkles Kastenbrot von vorne halbiert, die Schnittflächen mit Körnern zeigend

Brot sah gelungen aus, eine Hälfte fror ich ein, die andere sollte laut Spielanleitung erst noch bis zum nächsten Tag reifen.

Herr Kaltmamsell traf sich aushäusig mit Freunden, ich machte mich fürs Abendessen ans Wegschaffen des Ernteanteils. Tipp für alle Lagergemüse-Geschädigten: Bester und schmackhaftester Weg, viele Karotten wegzukriegen sind die Skinny Carrot Fries. (Ich schneide sie dünner als auf dem Foto und esse sie mit Majo.) Außerdem bereitete ich einen der beiden kleinen Salatköpfe (noch Gewächshaus-zart und noch nicht Freiland-kräftig) mit Tahini-Dressing zu.

Telefonische Absprache mit meiner Mutter zur Familien-Ostertafel am Montag.

Im Bett noch langes Lesen.

§

Ah, endlich ein belastbarer Hinweis, dass es nicht mein Prinzessin-auf-der-Erbsentum ist, das mich im Schyrenbad beim Schwimmen frieren lässt! Hier eine Meldung aus Berlin:
“Petition für Warmwasser im Freibad”.

Man hält diese Kälte einfach nicht aus. Ein ordentliches Schwimmprogramm für die körperliche Fitness besteht aus 1.000 Metern, dafür braucht der normale Schwimmer 30 Minuten. So lange bleiben Sie aber nicht im Wasser. Da kühlen die Extremitäten dermaßen aus, es kann zu Unterkühlungen kommen. Auch an Schwimmunterricht für Kinder ist dann nicht mehr zu denken.

30 Minuten bekäme ich im Schyrenbad sogar noch hin, aber erfahrungsgemäß beginnt bei mir nach ca. 1500 Metern das große Frieren.

§

Apropos Wärme: Hin und wieder braucht es kleine Herzerwärmungen wie diese.
“Hunderte werden zu ‘Buchbrigade’Buchhandlung organisiert aufsehenerregende Umzugs-Methode”.

die Kaltmamsell

Journal Gründonnerstag, 14. April 2025 – Ostereinkäufe mit Meltdown

Freitag, 18. April 2025 um 8:16

Eigentlich guter Schlaf, in der letzten Phase überfiel mich leider wieder die Angst und hielt sich an einer offenen Arbeitsaufgabe fest.

Der Weg in die Arbeit durch düstere Kühle – doch auch gestern kein einziger Regentropfen in München.

Im Büro gab es überraschend (für Tag vor langem Osterwochenende) viel zu tun, die Angst-Aufgabe konnte ich durch einen Rückruf zum Glück bald erledigen.

Aber: Spaß mit Outlook. Unter anderem bat mich jemand um mehrere Terminblocker in ihrem Kalender, die ich dort ganz sicher vor zehn Tagen bereits eingetragen hatte. Und das war nur das neueste Vorkommnis in einer langen Reihe von verschwundenen Terminen, nicht verschwindenden, aber lang gelöschten Zombie-Terminen (gerne inklusive Erinnerung), in den einen Kalender eingestellten Terminen, die plötzlich auch in einem anderen Kalender auftauchen (auf den ich Zugriffsberechtigung habe). Sollte ich demnächst paranoide Wahnvorstellungen entwickeln, muss in die Diagnose unbedingt „Gaslighting durch Outlook-Kalender“ einfließen.

Raus auf einen Mittagscappuccino im Westend, die Gollierstraße im Blütenrausch.

Altstadt-Wohnstraße mit parkenden Autos, große, weiß blühende Bäume, im Hintergrund ein Backstein-Kirchturm mit Uhr

Auf einem Holzfensterbrett vor Fensterscheibe eine Tasse Cappuccino, vor dem Fenster Straße und Hofeingang

Ich habe ja immer noch nicht genug – und sorge mich, dass die Zierapfelblüte vor meinem Bürofenster genau über die Osterfeiertage stattfinden könnte und ich sie verpasse. Es war kühl – angemessen kühl für April, ich begrüßte das.

Zu Mittag gab es nochmal Apfel sowie Mango mit Sojajoghurt.

Arbeitsreicher Nachmittag, aber superpünktlicher Feierabend.

Steiler Blick hinauf an einer Altbaufassade entlang, an der sich der dicke, verdrehte Stamm einer Glyzinie lehnt, mit ersten Blüten

Auch die Glyzinie in der Anglerstraße fühlt sich bereits bemüßigt.

Ich brachte erstmal das Weißbrot für die Torrijas heim, die Herr Kaltmamsell sich vorgenommen hat, zog dann für die Ostereinkäufe los.

Diese leider abgeschlossen durch meinen ersten complete meltdown: Als ich an der Sonnenstraße ging, beschoss mich zehn Minuten lang ein Martinshorn nach dem anderen – Feuerwehr, Krankenwagen, MVV-Notdienst. So viel Ohrenzuhalten und Gegensummen konnte ich gar nicht, es gab keinerlei Fluchtmöglichkeit, ich endete als wimmerndes, weinendes Häuflein.
Von Martinshornpause zu Martinshornpause (und NOCH ein Feuerwehrgebrüll, und NOCH ein Rettungswagenangriff) schaffte ich es ums Eck nach Hause. (Gleichzeitig natürlich das Bedürfnis, mich bei allen Passant*innen und daheim bei Herrn Kaltmamsell dafür zu entschuldigen, dass ich mich so dramatisch anstellte.) (Dazu der Gefühlspolizist, der mich strafend darauf hinwies, dass so ein Martinshorn-Auflauf ja wohl in erster Linie darauf hinwies, dass etwas Schlimmes passiert sein musste, das deutlich wichtiger war als meine Überempfindlichkeit.)

Auf dem Küchenfußboden sitzend atmete und sammelte ich mich eine Weile, wartete auf das Abklingen des Affekt-Tumults und des Zitterns. Dann Ausräumen der Einkäufe, jetzt fühlte ich mich sogar wiederhergestellt genug für Yoga-Gymnastik.

Als Nachtmahl hatte Herr Kaltmamsell auf meinen Wunsch und passend zum Tag Grie Soß zubreitet. Davor schüttelte ich als Aperitif Cosmopolitans, mir war beim Einkaufen Cranberry-Saft in einer kleinen Flasche begegnet. Dazu arabische scharfe Nüsschen.

Völlig vollgestellte Küchenarbeitfläche, u.a. mit Knetmaschine, leeren und vollen Flaschen, Kräutertopf, Schokolade - und zwei rosa gefüllten Cocktailschalen

Unsere Redaktion hat auf dem Bild zwei Cosmopolitans versteckt – findest du sie?

Schmeckte und tat sehr gut. Zur Grie Soß öffnete ich die letzte Flasche einer Lieferung von von Buhl: Deidesheimer Herrgottsacker 2016, ein besonders abgefahrener Riesling.

Nachaufnahme eines Weinflaschenetiketts "Deidesheimer Herrgottsacker", rechts angeschnitten unscharf ein gefülltes Weinglas, im Hintergrund unscharf angeschnitten ein Teller mit Grie Soß und halbierten Eiern

Das Beste an deutschen Traditionsweinen: die Namen. Nachtisch Schokolade.

Früh ins Bett zum Lesen, ich war komplett durch und freute mich aufs Ausschlafen.

§

Erinnerung an eine Kindheit in Wien:
“Ein Bild und ein Ziel”.

§

Sonst baut @angelicahicks auf insta ja Roter-Teppich-Outfits von Stars mit einfachsten Mitteln nach. In diesem Fall braucht es für Wiedererkennbarkeit nicht mal den SplitScreen mit Original links.

die Kaltmamsell

Journal Mittwoch, 16. April 2025 – Jenny Erpenbeck, Aller Tage Abend

Donnerstag, 17. April 2025 um 6:28

Jenny Erpenbecks Roman Aller Tage Abend von 2012 beginnt mit dem Tod eines Säuglings, eines kleinen Mädchens. Wir sind in Galizien Anfang des 20. Jahrhunderts, es war das erste Kind dieser Eltern. Die jüdische Mutter reagiert katatonisch, der christliche Vater flieht. Das Kapitel erzählt uns ausführlich den Hintergrund und die Geschichte der beiden.

Es folgt das erste “Intermezzo”: Was, wenn das Mädchen durch einen rettenden Einfall nicht gestorben wäre? Und dann geht die Handlung mit dieser Variante ohne Todesfall weiter. Wieder war ich froh, kaum etwas über den Roman zu wissen, so konnte mich diese Wendung überraschen.

Dieses Erzählmuster wiederholt sich: Wir folgen den Mitgliedern der Familie weiter in der Zeit (Wien vor dem Ersten Weltkrieg, Moskau in den 1930ern, DDR-Literaturszene), immer bis dieses Mädchen im Mittelpunkt, dann junge Frau, dann nicht mehr junge Frau, ums Leben kommt. Mal durch herzgebrochenen Suizid, mal durch politischen Mord, mal durch einen dummen Unfall. Dann gibt es wieder ein “Intermezzo”, das die Alternativen aufzeigt, mit denen dieser Tod nicht passiert wäre – und macht mit einer davon weiter. Manchmal genügt eine winzige Veränderung, um die Protagonistin weiterleben zu lassen, manchmal muss die Handlung erst Voraussetzungen umschichten, Beziehungen neu arrangieren, um das zu ermöglichen. Eine Ermüdung an diesem strukturellen Grundkonzept vermeidet die Handlung durch immer kürzere Schleifen.

Erzähltechnisch ist diese Variante des Multiversum-Ansatzes sehr spannend aufgebaut und gekonnt umgesetzt, folgerichtig in “Bücher” I bis V aufgeteilt. Ich bewunderte das schriftstellerische Selbstbewusstsein, mit dem Erpenbeck diese herausfordernde Idee durchzieht, wie sie ihr Material und die Geschichten an jeder Stelle im Griff hat.

Nur dass ich mich die Hintergründe, vor denen das spielte, nicht besonders interessierten. Schtetl-Judentum hatte ich kürzlich in Joseph Roths Hiob, Revolutionszeit in Wien vor Erstem Weltkrieg in Raphaela Edelbauer, Die Inkommensurablen, der argumentative Irrsinn stalinistischer Säuberungen fesselte mich auch nicht ein weiteres Mal – aber dafür kann Jenny Erpenbeck nun wirklich nichts. Was mich durchaus ansprach: Die Darstellung der Trauer um die Verstorbene, die einen breiten Raum einnimmt. Inklusive der Gegenwartsperspektive beim Betrachten der eigenen Existenz: Wie viele Zufälle brauchte es, damit ausgerechnet ich auf die Welt kam, wie unwahrscheinlich ist das eigentlich?

Sprache: Erpenbeck hat’s wirklich drauf (Fachausdruck). Immer wieder spiegelt sich der Inhalt in sprachlichen Mitteln: Die Eintönigkeit des Alltags im Pflegeheim in Wiederholungen, die an Litanei grenzen; die Absurdität kommunistischer Verfolgungsargumentation in ineiandergeschobenen Dialogen/Briefen; der Hang zu Lyrik in Zeiten starker Verliebtheit.

§

Gut geschlafen, auch wenn ich zum Einschlafen das Fenster schließen musste: Die Gaudi einiger Männer im Park vor meinem Schlafzimmer war selbst mit Ohrstöpseln zu laut.

Mond in Morgenhimmel über modernem Gebäude neben Park

Morgenrosa mit Mond in die eine Richtung.

moderner Kirchturm vor rosa leuchtenden Wolken und hinter Park

Morgenrosa mit St. Matthäus in die andere Richtung.

Die angekündigten 24 Grad Höchsttemperatur des Tages machten sich schon auf meinem Weg in die Arbeit durch drückende Milde bemerkbar.

Rechteckiger weißer Aufkleber auf einem Laternenpfahl, darauf die schwarze Zeichnung eines Hoody-Trägers mit Blumenstrauß statt Kopf, hinter dem Pfahl ein Platz, den gerade ein blauer Linienbus kreuzt

Laternenkunst am Beethovenplatz.

Mittags fuhr ich mit der U-Bahn für eine berufliche Besorgung in die Innenstadt, jetzt war es deutlich zu warm für April. Die Innenstadt erwartbar voller Tourist*innen. Ich hatte einen Mittagscappuccino am Viktualienmarkt geplant, angesichts einer 20-köpfigen Schlange am Stand gab ich das Vorhaben auf. Aber der Ausflug war eine willkommene Auflockerung des Arbeitstags. Und ich fühlte mich ohnehin den ganzen Tag über innerlich zittrig wie nach zu viel Koffein.

Zu Mittag gab es einen Apfel sowie Mango mit Sojajoghurt.

Arbeitsreicher Nachmittag, erste Verabschiedungen in die Osterferien.
Meine Schweißstinkephase will diesmal gar nicht mehr aufhören.

Auf dem Heimweg mit kleineren Einkäufen duftete mich der erste Flieder an – das war dann doch überraschend schnell gegangen. Ich ging dunkel drohenden Wolken entgegen, aber das Regenversprechen wurde schnell zurückgenommen. Auch für die nächsten Tage ist kein Tropfen angekündigt.

Zu Hause Yoga-Gymnastik, Brotzeitvorbereitungen. Als Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell Weizentortillas gefüllt mit Reis, schwarzen Bohnen, Frühlingszwiebeln, Korianderkraut, dazu (wässrige) Guacamola. Schön sättigend. Nachtisch Schokolade.

Sehr früh ins Bett, weil sehr müde. Als neue Lektüre startete ich Jeanette Winterson, Oranges Are Not The Only Fruit.

§

Schwulen-Bürgerrechtsgeschichte, die Erinnerung daran ist wichtig:
Hier die Geschichte des 71-jährigen Wiener Wohnbauforschers Wolfgang Förster, eines frühen Aktivisten.

Ende der 1970er-Jahre schaffte es der engagierte Schwule sogar bis ins Vorzimmer von Justizminister Christian Broda (SPÖ). Man riet Förster, einen Verein zu gründen, der sich für die Rechte von Homosexuellen engagiert. “Als ich ihnen sagte, dass das doch verboten ist, hieß es aus dem Büro des Justizministers, wir sollen es trotzdem tun. Sollte eine Anzeige kommen, so werde dafür gesorgt, dass das Verfahren eingestellt wird.” So konnte Förster gemeinsam mit anderen 1979 die “Homosexuellen Initiative” (HOSI), den ersten Schwulen- und Lesbenverband Österreichs gründen.

Ich kann mir nur vage vorstellen, wie viel Kraft und Mut damals nötig waren, um als Schwuler für die eigenen Menschenrechte zu kämpfen und sich sichtbar zu machen.
(Lesben habe ihre eigene Befreiungsgeschichte, nur manchmal parallel und zusammen mit Schwulen.)

§

Interessante ARD-Doku:
“Neurodiversität · Wie normal ist anders?”

die Kaltmamsell

Journal Dienstag, 15. April 2025 – Bürodienstag abgehakt

Mittwoch, 16. April 2025 um 6:33

Über gestern gibt’s wirklich wenig zu erzählen.

Gut geschlafen, das schmerzende Schultereckgelenk war kein Hindernis und überfiel mich erst wieder nach dem Aufstehen.

Draußen trübes Licht, das den ganzen Tag zwischen dunstiger Sonne und Wolken wechselte. Milder Marsch in die Arbeit.

Im Büro halbwegs geordnetes Abarbeiten, lediglich stark beeinflusst durch überraschend (weil doch Osterferien) dicht besetzte Büros auf dem Stockwerk.

Mittags ging ich für eine berufliche Besorgung raus (über Cappuccino bei Nachbars), es war schwül. Der Besorgungsversuch scheiterte, die Büropflanzenauswahl im Baumarkt ist deutlich geringer als erwartet.

Mittagessen: Äpfel, Hüttenkäse.

Nach ruhigem Nachmittag Spaziergang in den sonnigen und für April deutlich zu warmen Feierabend. Im Straßenbild erste Bikinioberteile. Süßigkeiteneinkauf bei Aldi, Mehle und Körner im Vollcorner.

Daheim Yoga-Gymnastik, Brotzeitvorbereitung. Als Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell auf eigenen Wunsch chinesisch-amerikanisches Orangenhuhn.

Gedeckter Tisch längs aufgenommen, in der MItte vorne eine Pfanne mit gebratenem grünen Spargel, eine weite Pfanne mit panierten Stücken in Sauce mit viel Lauchzwiebeln drüber, dahinter ein Töpfchen Reis

Schmeckte gut, aber überhaupt nicht chinesisch (trotz Ingwer, Sojasauce etc.). Auf den grünen Spargel hatte ich seit Tagen Lust gehabt und gestern im Vollcorner einen Bund mitgenommen.

Nachtisch Schokolade. Der Schulterschmerz wurde zügig weniger.

Im Bett Jenny Erpenbeck, Aller Tage Abend ausgelesen, darüber wird es noch Genaueres geben – die Frau kann echt schreiben.

die Kaltmamsell

Journal Montag, 14. April 2025 – Mittagspausenausflug in den Frühling

Dienstag, 15. April 2025 um 6:30

Schlaf nur bis halb vier gut, nach dem Klogang schlief ich nicht mehr richtig ein – auch ohne Angstkarussel wollte sich mein Herzschlag nicht schlaftauglich verlangsamen. Daher nicht ganz so frisches Aufstehen.

Körperlichkeiten: Seit einiger Zeit zwickt das Kreuz links besonders schmerzhaft und bis in Hüfte und Knie, sogar beim Schwimmen, sogar in bettlicher Seitenlage. Wieder mal nehme ich mir das Vereinbaren von Massageterminen vor, denn weder lässt sich hier ursächlich was machen, noch kann ich mir vorstellen, dass es zu all den Dutzenden krankengymnastischer LWS-Übungen, die ich über die Jahrzehnte gelernt habe, die eine weitere gibt, die hilft. Ach, und wenn wir schon dabei sind: Das linke Schlüsselbein schmerzt gerade heftig an der Schulteraufhängung – Schultereckgelenk? Mein Körper stellt mir gerade ein bislang unbekanntes Gelenk vor.

Marsch in die Arbeit durch kühle Luft unter bedecktem Himmel, doch die Wettervorhersage hatte uns die Hoffnung auf Regen wieder entzogen.

Geordnetes Losabrbeiten ohne Überfälle aus dem Postfach. Am Bürogebäude wurden Fenster außen geputzt, und wieder trugen die Herren auf der Hebebühne keine Spiderman-Kostüme, so eine verpasste Gelegenheit.

Mittags ging ich auf einen Ausflug. Ich brauchte Espresso, und die Sorte Barista vom Fausto, die ich beim jüngsten Besuch de Caffe Fausto gekauft hatte, schmeckt mir besonders gut. Die Anreise von der Arbeit war zwar mit öffentlichen Verkehrsmitteln etwas umständlich (keine Direktverbindung nach Südosten), doch ich nahm mir die Zeit mit Aussicht auf einen Spaziergang vom Candidplatz zur Kraemerschen Kunstmühle durch Sonne und Frühling. War es dann auch total wert.

Vor blauem Himmel und hinter kahlen Bäumen ein prächtiges Klostergebäude mit Zwiebeltürmen

Templer-Kloster

Blühende und grünende Büsche in der Sonne

Über ein Holzbrett mit Cappuccino hinweg Blick durch Fenster auf eine Terrasse mit Tischen und Stühlen, daran Menschen, dahinter Bach

Entdeckung im Caffe Fausto: Da hat’s ja eine Terrasse raus zum Auer Mühlbach!

Eine Betonsäule unter eine Betonbrücke, mit meinem realistischen Kinderpaar bemalt, darüber die Schrift "... as long as we are together...". Im Hintergrund sonnige Bäume und ein Bürogebäude

Candidplatz

Eingang zu den Gleisen eines U-Bahnhofs, dessen Wände im Farbverlauf des Lichtspektrums

Der U-Bahnhof Candidplatz stellte sich als einer der besonders schönen von München heraus.

Spätes Mittagessen wegen Querschüssen: Eine Avocado (diese Crowdfarming-Lieferung ist seltsam: die Avocados sind nach dem Reifen eher wässrig als cremig – eine Low-fat-Version?), Muesli mit Joghurt.

Es blieb sonnig, das Bürofenster konnte ich den ganzen Nachmittag gekippt lassen.

Auf dem Heimweg besorgte ich noch Obst, ging dann aber direkt nach Hause. Beim Queren der Theresienwiese hörte ich aus dem Zelt des Circus Krone die laufende Vorstellung: Die Zirkuskapelle spielte gerade “Voulez-Vous” von ABBA – das klang sehr speziell in diesem Zirkuskapellen-Sound.

Zackiges Marsch-Tempo: Ich wollte vor der Verabredung mit Herr Kaltmamsel noch Yoga-Gymnastik turnen. Das klappte.

Weil Herr Kaltmamsell an diesem seinem ersten Osterferientag durchgehend unterwegs war, gab’s aushäusiges Abendessen im Madam Chutney Schnellimbiss.

Ein Restauranttischchen mit zwei Alu-Tabletts mit Vertiefungen, darin Currys und Naan-Brote in Vierteln

Grandmom’s Special Mattar Paneer für mich, Chicken Vindaloo gegenüber, beides ganz hervorragend inklusive Joghurt und Naan.

Nachtisch gab’s daheim: Herr Kaltmamsell hatte am Sonntag eine experimentelle Punschtorte zubereitet (unterschiedliche Tränkungen), davon bekam ich ein köstliches Stück.

Auf arte lief Gefährliche Liebschaften – ich hatte schon vergessen, wie gut der ist, vor allem das Drehbuch, das in seinen besten Passagen ganz nah an der Briefromanvorlage bleibt.

§

Schöne Fotos von Sonntagskleidung an Kindern im Chicago den 1940ern. Das kannte ich als Kind auch noch: Sonntagskleidung, also dass ich neue, schöne Oberbekleidung zum ersten Mal an einem Sonntag trug. Heute ist es umgekehrt: Am Wochenende trage ich tendenziell Kleidung, die nicht mehr gut genug fürs Büro ist oder nie dafür angeschafft wurde. Aber ich gehe ja auch schon lange nicht mehr am Sonntag in die Kirche.

die Kaltmamsell

Journal Sonntag, 13. April 2025 – Ruhesonntag

Montag, 14. April 2025 um 6:15

So richtig ausgeschlafen, fast neuneinhalb Stunden, und die auch noch gut – so schön! Das lag sicher an dem Vollmond, der auf gestern den größten Teil der Nacht auf mein Bett schien.

Nachthimmel über Park, darin ein voller Mond, der durch die Zweige eines kahlen Baums leuchtet

Meine größte Leistung der Samstagswanderung: Keinerlei Sonnenbrand, nicht mal auf dem Dekolleté die leiseste Ahnung, und das trotz fehlendem Laub und dadurch nahezu komplett fehlendem Schatten. (Klar war ich eingecremt, doch das ist bei den ersten Sonnenbegegnungen des Jahres keine Garantie.)

Bloggen dauerte lang, ich wollte ja Fotos zeigen, die bearbeitet und betextet werden mussten.

Entsprechend spät kam ich los zu meiner Schwimmrunde, auf die ich mich gestern richtig freute. Der Himmel war bedeckt, doch die Temperaturen waren eher mild geblieben. Ich radelte gemütlich zum Olympiabad.

Auf einem Platz in einer Stadt in düsterem Tageslicht und unter einem kahlen Baum ein realgetreues Auto aus Naturmaterialien nachgebaut, zu Hälfte verfallen, links davon wird es von jemandem fotografiert

Mal wieder Check der Autoverfallskunst.

Schöner Schwumm, ich fühlte mich von Anfang an elegant, kam mit Überholen und Überholtwerden gut zurecht, merkte erst auf den dritten 1.000 Metern hin und wieder etwas Mühe (nämlich daran, dass mein Po leicht sank und ich aktiv mit Spannung dagegen arbeiten musste).

Beim Zurückradeln ging ich einem Insiderinnen-Tipp nach:

Altstadtstraße in trübem Licht, links gesäumt von rose blühenden Bäumen, im Vordergrund ein Straßenschild "Agnesstraße"

Die Kirschbäume in der Agnesstraße setzen zum Blühen an!

Unterwegs holte ich noch Semmeln, die gab es zum Frühstück gegen halb drei.

Dabei las ich noch einen halben Tag Internet hinterher. Meine Mastodon-Timeline hat sich in den vergangenen Monaten in eine Heimgärtnerei-Timeline verwandelt; ich nehme an, auch das ist das Alter.

Wäschewaschen, Wäscheaufhängen, ich konnte den ganzen Nachmittag die Balkontür geöffnet lassen.

Lesen der Wochenend-Süddeutschen. Als ich fast durch war, erwischte mich wieder Kreislauf: Schwindel, Schweißausbruch, Frieren, auch diesmal mit einer weiteren Runde Schweißausbruch und Frieren. Danach war ich so erschöpft, wie ich es nie von körperlichem Auspowern bin, ich wollte eigentlich gar nichts mehr an diesem Tag tun.

Tat ich dann aber doch, ich lass mich doch nicht von solchen Kreislaufgeschichten rumkommandieren! Also Yoga-Gymnastik und Brotzeit-Vorbereitung.

Ernteanteil-Einsatz fürs Nachtmahl, das wieder Herr Kaltmamsell servierte: Die Ratatouille im Glas wurde Pastasauce, sehr gut. Nachtisch Schokolade.

Aufräumen für Putzmann-Einsatz, Räumen für Arbeitswochenanfang. Im Bett noch Lesen, dieser Jenny Erpenbeck, Aller Tage Abend, ist nochmal ganz anders als die eh schon unterschiedlichen beiden, die ich von ihr gelesen habe (Geschichte vom alten Kind und Kairos).

die Kaltmamsell