Filme

Journal Samstag, 18. Januar 2025 – A real pain, Wäscheständer als innenarchitektonische Herausforderung

Sonntag, 19. Januar 2025

Gut geschlafen, auch genug.

Das Wetter machte mit Grau bis Dunkelgrau weiter, das nahm mir die Lust auf Radeln zum Schwimmen. Also fuhr ich mit U-Bahn ins Olympiabad, schwamm dort zwischen vielen Geräteschwimmer*innen meine 3.000 Meter, zwar mit guter Kondition und nur wenig Kreuzzwicken, aber bei so viel Verkehr unentspannt. Auf dem Rückweg stieg ich an der Münchner Freiheit aus, kaufte Espressobohnen-Nachschub und Frühstücksemmeln.

Zu Hause Wäscheaufhängen, zum Frühstück kurz nach zwei gab es Semmeln mit Butter und Marmelade, Orangen (bald sind wir durch diese zehn Kilo durch).

Für Nachmittag war Sonne angekündigt, ab drei wurde es tatsächlich heller. Das freute mich, weil ich mit Herrn Kaltmamsell eine Kino-Verabredung hatte: Wir gingen zu Fuß in schönem Winterwetter zu den Museum Lichtspielen.

Blick einen Fluss eintlang im Abendlicht; im Hintergrund ein Schornstein, in dessen Wolke sich rasagold das letzte Sonnenlich fängt

Blick von der Reichenbachbrücke nach Süden.

Ausgesucht hatte ich A real pain von und mit Jesse Eisenberg. Das waren gut genutzte 90 (!) Minuten: Ein schöner, kleiner Film über zwei US-amerikanische Cousins, die zusammen nach Polen reisen, um in einer begleiteten Heritage Tour die Schauplätze der Vergangengeit ihrer jüdischen Großmutter kennenzulernen. Richtig gutes Drehbuch (da hätte man viel falsch machen können), hervorragende Darsteller (ich mochte besonders Will Sharpe als nordenglischen Tour Guide), kann ich mir auch auf einer Theaterbühne vorstellen.

Das Thema Schmerz und Nervigkeit, mit dem der englische Filmtitel wortspielt, war nachvollziehbar gezeigt, mir gefiel die unverkünstelte Bildsprache, die dennoch visuelle Besonderheiten des heutigen Polens unterstreicht (durchaus aus der Perspektive einer Touristin, mir waren auf meiner Polenreise vor 19 Jahren ähnliche Ansichten aufgefallen, siehe blitzblank geschniegelte geometrische Wohnblockästhetik). Der Nachspann (ich lese Bücher bis zum letzten Buchstaben, ich gucke Filme bis zum letzten Buchstaben oder Bild) verriet, dass viel von der Finanzierung des Films aus Polen gekommen war.

Nach Hause nahmen wir eine Tram vom Isartor (die Ludwigsbrücke wir langsam abgerüstet, aber die Tramgleise sind noch nicht wieder nutzbar). Daheim wartete der schon vor Kinobesuch geputzte Ernteanteil-Rosenkohl, ich verwandelte ihn in Rosenkohl-Zitronen-Pasta. Ein schlichtere Variante als die mit Sahne und Frischkäse, die Herr Kaltmamsell bereits mehrfach serviert hatte, schmeckte aber auch gut. Dazu ein kräftiger italienischer Weißwein (Pecorino), danach reichlich Schokolade.

§

Wenn man nur lange genug wartet, werden alle Fragen beantwortet. Vor 18 Jahren bloggte ich über das ästhetische Problem Wäscheständer:
“Die härteste Nuss des Wohnstylings”.

Und vergangenen Freitag ging sie das Süddeutsche Magazin als Titelthema an:

Aufsicht auf SZ-Magazin auf Tischplatte, darauf Titelfoto eines schwarzen figürlichen Metallgestells in einem Wohnzimmer, an dem ein paar Wäschestücke hängen

“We will trock you”.

Na ja: Meiner Ansicht nach erfüllt kein einziger Designer-Vorschlag die Anforderung, eine Maschine Wäsche trocknen zu lassen und gleichzeitig gut auszusehen, nur entweder oder. Ich warte weiter.

Journal Mittwoch, 8. Januar 2025 – Geackert, draußen winterliche Nässe

Donnerstag, 9. Januar 2025

Mich hatte wieder ein Ohrwurm erwischt: Nachdem sie bei Schwiegers wie so oft gelaufen war, spielte mein Hirn mir nachts bei jedem leisen Aufwachen Dvořáks Sinfonie “Aus der Neuen Welt” vor, den alten Gassenhauer. Weil bereits in der Schule durchgenommen, kenne ich sie sehr gut und hörte dabei jedes einzelne Instrument. (Beim Aufschreiben jetzt spielt mein Hirn sofort wieder los, gna. Besonder stark klebt es an diesen einen Triolen.)

Arbeitsweg im Stockdunklen (Andeutung eines Hellwerdens am Himmel kurz vor Ziel) und unter Regenschirm.

Am Schreibtisch Fortsetzung des Vortags: Zwar kamen kaum neue Querschüsse, aber es gab so viel auf einmal zu tun, dass es mir schwer fiel, einen klaren Gedanken zu fassen und ich wie eine Stubenfliege ständig die Richtung meiner Tätigkeit änderte. Im Lauf des Vormittags sah ich mich langsam raus und konnte geordneter, somit zackig wegarbeiten. Ich schaffte sogar die erste Treppenrunde des Jahres in den 16. Stock und ging raus auf einen Mittagscappuccino ins Westend.

Sehr erhöhter Blick auf eine Großstadt mit modernen Bürohäusern, davor Bahngleise, düster dunstiger Himmel, ein paar Schneeflocken

Ausblick vom 16. auf München. Aus dem Augenwinkel sah ich den ganzen Tag Niederschlag draußen, um die Mittagszeit hatte er vage die Form von Schnee.

Längsblick auf ein tiefes Fensterbrett vor Schaufenster, darauf ein ausgestrecktes Bein in Jeans mit goldenem Schnürschuh, eine Tasse Cappuccino, vor dem Fenster nasser Fußweg

Guter Cappuccino im Stray.

Mittelspätes Mittagessen: Hüttenkäse, Orangen vom adoptierten Baum (sensationell köstlich und süß!).

Den Nachmittag ackerte ich durch, hatte aber auch eine lang vorbereitete Besprechung, in der die Erleichterung meiner Arbeitslast das Ziel war. Durch die wurde es allerdings wieder ziemlich spät, bis ich meinen Rechner runterfahren konnte.

Keine Einkaufsrunde nach Feierabend, denn Herr Kaltmamsell hatte unsere Liste bereits leergekauft. Also direkt nach Hause (leichter Regen, wirklich kein schönes Draußenwetter). Daheim hängte ich frisch durchgelaufene Wäsche auf, turnte eine Einheit Yoga-Gymnastik (sehr angenehme Flows), bereitete die Brotzeit für Donnerstag vor.

Herr Kaltmamsell servierte köstliches Abendessen:

Aufsicht auf einen weißen tiefenTeller, darin bunte gemüsesuppe mit mittelgroßen Muschelnudeln

Müllsuppe1 mit reichlich Wintergemüse und Nudeln (vegan bis auf den Parmesan drüber). Nachtisch Pralinen, Plätzchen.

Im Fernsehen hatte Herr Kaltmamsell einen Film mit Lilo Pulver von 1959 aufgestöbert, Das schöne Abenteuer, wir freuten uns an ihr und der naiven Niedlichkeit des Drehbuchs (wenn Sie mal einen jüngeren Horst Tappert sehen wollen?).

  1. Ich danke Frau Brüllen sehr herzlich für diese Bezeichnung der Gemüsebrühe, für die wir Gemüseschalen/-wegschnitte und Kräuterreste in der Gefriere sammeln. []

Journal Freitag, 27. Dezember 2024 – Fahrt nach Berlin, Roman The Little Red Chairs, Film All We Imagine as Light

Samstag, 28. Dezember 2024

Eine eher unruhige Nacht, aber ich stand recht frisch früh auf. So hatte ich reichlich Zeit für Reisevorbereitungen, auch wenn unser ICE nach Berlin noch vor neun fuhr.

Einen Bahnsteig außen entlang fotografiert, rechts fährt ein ICE ein, links geht eine Frau in schwarzer Kleidung, weit weg im Hintergrund die Bögen einer schmiede-eisernen Brücke

Hier fährt er ein, unser Zug, in geradezu klirrendem Frost.

Dieser Frost begleitete uns vorm Zugfenster bis Berlin, mal mit dicken Raureif, mal mit eher verhaltenem, mal in Nebel, dann wieder unter Hochnebel. Bei überpünktlicher Ankunft in Berlin Hauptbahnhof tat der Berliner Winter im Gegensatz zum Vorjahr seinen Job: Bleihimmel, kalt.

Im Zug las ich Edna O’Brien, The Little Red Chairs aus, bis zuletzt wusste ich nicht recht, welche Geschichte hier eigentlich erzählt wurde. Dass der geheimnisvolle Naturheiler, der im irischen Dorf auftaucht, nach dem Vorbild des Kriegsverbrechers Radovan Karadžić gezeichnet war, wusste ich bereits aus dem Klappentext: Keinerlei Spannungsbogen, und noch vor der Hälfte des Romans wurde er verhaftet und vor das UN-Tribunal in Den Haag gebracht. Dazu kam die Geschichte einer verheirateten Dorfbewohnerin, die eine Affäre mit ihm angefangen hatte und grauenhaft dafür bezahlte.

Dazwischengewoben, und das mochte ich am meisten: Sehr viele individuellen Geschichten von Migranten und Geflüchteten in der Gastronomie und Hotelerie in Irland, später in London – immer von ihnen selbst erzählt (die Anlässe waren mal Geburtstagsfeiern, mal eine Selbsthilfegruppe). Aber sie waren praktisch nicht eingebettet in die Haupthandlung.

Am meisten nahmen mich die Kapitel mit, in denen die weibliche irische Hauptfigur mit Ende 30 mittellos und ohne Kontakte in London ein neues Leben beginnen muss, irgendwie Unterkunft und Arbeit finden – ich stellte mir die völlige Verzweiflung dieser Situation vor.

In Berlin brachten wir in der Nähe des Bahnhofs Zoologischer Garten unsere Sachen in ein schönes Hotelzimmer mit Küchenzeile und gingen erstmal Frühstücken. Auf meiner Liste hatte ich das 30 Minuten zu Fuß entfernte Frühstück 3000, gegen halb zwei marschierten wir dorthin los.

Auf einem Holztisch zwei Teller, einer mit Eggs Benedict, einer mit einer Scheibe Brot mit Roastbeef und Spiegelei, dazwischen eine Tasse Cappuccino und ein Glas grüne Limonade

Ich bestellte eine Roastbeef Focaccia: Roastbeef eindeutig zu erkennen und ausgesprochen schmackhaft, auch die Scheibe Brot darunter sehr schmackhaft, aber keine Focaccia. Dazu eine sehr gute Basilikum-Ingwer-Limonade. Herr Kaltmamsell frühstückte Eggs Benedict.

Außer dem Anlass des Berlin-Ausflugs, nämlich der kabarettistische Jahresrückblick am Samstagnachmittag, hatte mein Hirn keine Pläne gemacht. Herumspazieren machte gestern in Nebel und früher Dunkelheit nicht recht Spaß, wir entschieden uns für einen Kinobesuch im Vorabendprogramm.

Vorher hatten wir noch ein wenig Zeit zum Ausruhen im Hotelzimmer, dann spazierten wir ins nahegelegene Kino Delphi Lux und sahen All We Imagine as Light.

Blick auf Kinovorhang vor Kinoleinwand, Decke, Vorhang, leere Sitzpolster sind alle knallrot, der Vorhang mit Glitzersteinchen

Großartiger Glitzervorhang!

In diesem Fall wollte ich definitiv die Originalsprachen Malayalam, Hindi und Marathi hören und sie mir mit Untertiteln übersetzen lassen, eine deutsche Synchronisation wäre mir ungeheuer gekünstelt erschienen.

Der Film gefiel mir sehr gut: Wunderbar alltagspoetische Bilder ohne leisesten Kitsch (Drehbuchautorin/Regisseurin Payal Kapadia kommt vom Dokumentarfilm), die drei zentralen Figuren, die alle in Mumbai im selben Krankenhaus arbeiten, interessierten mich sehr – und wurden von hervorragenden Schauspielerinnen dargestellt. Und ich war sehr von einem Erzählfluss angetan, der nur wenig erklärt. Leider konnte ich aber die Sprachen nicht unterscheiden, dabei spielte die Verschiedensprachigkeit durchaus eine Rolle.

Hier der US-Trailer:

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://www.youtube.com/watch?v=2mgQcpmYr_A

Auf dem Weg zurück ins Hotel fragten wir uns unter anderem, an wen sich der Film richtete – wohl am ehesten an westliches Publikum?

Zum Abendessen hatte wir uns in einem Supermarkt eine Dose Linseneintopf besorgt und nutzte die Küchenzeile. Schokolade zum Nachtisch gab es auch.

§

Ingolstädter Geschichte in der taz:
“Widerstandskämpfer war in Wirklichkeit Nazi”.

Ich weiß, dass Thomas Schuler schon als Donaukurier-Volontär (seine Ausbildungszeit überschnitt sich mit meiner) zu unserem damaligen Verleger Reissmüller recherchierte, anfangs noch in erster Linie über seine fragwürdigen Methoden, Konkurrenzmedien in Ingolstadt zu unterbinden: Unter uns Volontär*innen kursierte eine Hefter mit dem Material, das der Schuler Tom (wir kannten uns schon vorher von den Pfadfindern) zusammengestellt hatte.

Journal Sonntag, 15. Dezember 2024 – Ehre der Wicked Witch

Montag, 16. Dezember 2024

Gute Nacht, auch mit längerem Schlaf als an Arbeitstagen.

Gegen zehn, als ich mich gerade für meinen Isarlauf fertigmachte, veränderte sich das bislang graue Licht vorm Fenster. Es würde doch nicht…? Doch: Da ein bisschen blauer Himmel, dort ein Fleck silberne Wintersonne.

Ich lief von Haustür zu Haustür: Alter Südfriedhof, Wittelsbacherbrücke, Thalkirchen, Maria Einsiedel und über den Flaucher (an dem sich gerade Eisbader*innen nach ihrem Eintauchen wieder anzogen) zurück. Sonne gab es nur ganz wenig, auf dem Hinweg blies ein schneidender Gegenwind, aber zumindest bekam ich gemischten Himmel statt dem Einheitsgrau über München der vergangenen beiden Wochen. Mein Körper spielte gut mit, fast keine Extraschmerzen.

Alter, parkähnlicher Friedhof mit kahlen Bäumen, Sonne bescheint zwei alte Grabsteine

Blick über einen Brückenrand auf einen FLuss, in dem sich blauern Himmel spiegelt; im Hintergrund eine Insel mit Bäumen, links am Ufer eine Kirche mit zwei Türmen

Blick auf einen Fluss, am diesseitigen Ufer ein Marterl, am gegenüberliegenden eine sonnenbeschienene Hütte

Blick einen schmalen Wasserlauf entlang, an beiden Seiten gesäumt von kahlen Bäumen, im Hintergrund ein altes Wehrgebäude, davor klein ein Kanufahrer

Frühstück kurz vor eins: Avocado auf Pumpernickel mit Crema di Balsamico, wunderbar. Dann war es schon Zeit für den Aufbruch mit Herrn Kaltmamsell zur Nachtmittagskultur, und zwar:

Manche Menschen erkennen das Vorbild meiner wundervollen roten Glitzer-Mary-Janes und rufen: “Dorothy!” Das freut mich, denn hierzulande ist Wizard of Oz von 1939 wirklich nicht Allgemeinbildung, und auch ich bin für Details auf das fundierte Wissen von Herrn Kaltmamsell angewiesen. Doch eigentlich, das füge ich inzwischen immer hinzu, bin ich Team Wicked Witch (genauer Wicked Witch of the East, auf die ich mich mit diesem Outfit bezog).

Doch erst die Rezension vergangenen Donnerstag in der Süddeutschen Zeitung informierte mich, dass es 1.) über die Wicked Witch ein Musical gibt, Wicked, das 2.) jetzt als Film in den Kinos läuft. Ich schimpfte Herrn Kaltmamsell, dass ich sowas aus der Zeitung erfahren muss, und gestern Nachmittag sahen wir ihn in den Museum Lichtspielen.

Schöner Film, sensationelle Kostüme (ich hatte auf Iris van Herpen getippt, aber nein: Paul Tazewell, der sich doch aber von ihr inspirieren hat lassen!) , wundervolle Cynthia Erivo, überraschend interessanter Charakter Glinda, Göttin Michelle Yeoh, beste Make-over-Szene ever, beeindruckender Gesang der beiden Hauptdarstellerinnen (allerdings ertappte ich mich bei dem Verdacht, da könnte heutzutage technisch nachgeholfen worden sein) – allerdings können weder Herr Kaltmamsell noch ich mit der Musical-Musik der vergangenen 20 bis 30 Jahre etwas anfangen (Andrew Lloyd Webber hat alles kaputt gemacht): Alles Hymnen, nichts könnte außerhalb dieser Musicals geschehen, fast keine eingängigen Melodien. Der eine Schlager in Wicked: “Defying Gravity”. Mir sind halt die Musicals lieber, vor allem Filmmusicals nach dem Muster: Handlung, Song, Handlung, Song. Gesungene Handlung finde ich ja auch in Opern albern. War auf jeden Fall den Sonntagnachmittag wert, wenn auch nicht 2 Stunden 40 Minuten, ächz.1

Elend beim Gedanken an die nächste Arbeitswoche. Eigentlich hatte ich als Karotte vor Augen, dass nach dem Dienstag mit Hochdruck-Einsatz (der meine Teilnahme an zwei Weihnachtsfeiern blockiert, es ist nicht alles schlecht) erstmal alles rum ist, doch jetzt sitzt mir die viel komplexere neue Sache Ende Januar im Nacken.

ABER! Es gab echtes Sonntagsessen zum Nachtmahl: Rehgulasch von Herrn Kaltmamsell, und ich durfte Semmelnknödeln dazu machen (für die ich am Freitag beim Bäcker eigens Weißbrot zum Altwerdenlassen kaufte, das fühlt sich immer irre dekadent an) (nein, es gab kein Knödelbrot). Schmeckte beides hervorragend, allerdings waren meine Knödel ein wenig desintegriert – das Wasser hatte in einem unachtsamen Moment stark gekocht (die ersten 10 Minuten hatte ich aufgepasst, die zweiten 10 Minuten bei gleichbleibender Hitzezufuhr nicht).

Vorbereiten der letzten Arbeitswoche vor Weihnachtsferien, früh ins Bett zum Lesen.

  1. Ich kann mich an Zeiten erinnern, in denen Filme “mit Überlänge” mehr Eintritt kosteten. Heute wäre ich bereit, für Filme unter 120 Minuten mehr zu zahlen. []

Journal Sonntag, 24. November 2024 – The Room Next Door

Montag, 25. November 2024

Ausgeschlafen, gemütlicher Sonntagmorgen.

Sehr gemischter Himmel, aus dem auch mal ein Regenschauer kam, doch wie angekündigt stiegen die Temperaturen.

Erst nach zehn und nach dem Puderzuckern und Einpacken der beiden ersten Weihnachtsstollen machte ich mich fertig für meinen Isarlauf.

U-Bahn nach Thalkirchen, von dort lief ich nach Süden über Hinterbrühler See, hoch zur Großhesseloher Brücke, Waldwirtschaft nach Pullach und zurück. Das Wetter war in fahler Wintersonne eher grau, es lag noch ein wenig Schnee, die Wege hatten Matschflecken. Der Körper spielte ganz gut mit, doch die Lauffröhlichkeit wollte sich in den gut anderthalb Stunden nicht recht einstellen.

Aus weit erhöhter Perspektive durch ein sichtbares Gitter fotografiert: Fluslandschaft mit Schneeflecken

Blick von der Großhesseloher Brücke.

Blick von hinten auf eine Parkbank, auf der zwei Menschen sitzen. Sie steht über einem tiefen Abhang, man sieht über eine Flusslandschaft

Blick kurz vor Pullach ins Isartal.

Sonniger, kahler Laubwald, der Weg ist mit braunem Laub bedeckt

Isarhochufer

Gegenlicht-Aufnahme: Im Vordergrund sitzen zwei Menschen auf einer Bank, hinter ihnen erstreckt sich ein Kanal, Ufer gesäumt von kahlen Bäumen und Büschen
Isarwerk

Wegen meiner frühabendlichen Verabredung kochte Herr Kaltmamsell statt abends bereits zu Mittag: Es gab um zwei Rosenkohl-Zitronen-Pasta u.a. aus Ernteanteil-Rosenkohl, allerdings mit landwirtschaftlichen Zutaten statt dem veganen Ersatz im Rezept.

Den eher sonnigen Nachmittag verbrachte ich mit Zeitunglesen, Internetlesen, unter anderem ausführlich Bluesky (für Sie zusammengefasst: Es ging in den vergangenen zehn Tagen sehr viel um Bluesky).

Die Verabredung war eine fürs Kino: The Room next Door – endlich kam ich mal wieder in einen Film, den ich sehen wollte, seit ich den Trailer gesehen hatte, herzlichen Dank meiner Begleitung für den Anstupser.

Die beiden Freundinnen Martha und Ingrid treffen sich nach langjähriger Pause in New York wieder: Kriegskorrespondentin Martha hat Krebs und bittet die Romanautorin Ingrid, sie bei ihrem Suizid zu begleiten, mit dem sie den sicher diagnostizierten baldigen Tod vorwegnehmen will – im Zimmer nebenan. Obwohl sie sich vor nichts so sehr ängstigt wie vor dem Tod, willigt Ingrid ein.

Ich mochte das Kammerspiel sehr, diesen ersten englischsprachigen Film von Pedro Almodóvar (Korrektur: in Spielfilmlänge). Mich interessierte jedes Detail dieser Freundschaft, der Menschen, des Austauschs zwischen den beiden Frauen – auch wenn fast nichts davon durch Handlung vorgeführt wurde, sondern alles in Dialogen erzählt (fast, denn eine Erinnerung Marthas an den Irakkrieg wird als Rückblende gezeigt, das irritierte mich sehr), nahegehend gespielt von Tilda Swinton und Julianne Moore. Dazu gab es die Almodóvar-typischen Kamera-Einstellungen (z.B. Dialoge: Leinwand-füllendes Gesicht / Leinwand-füllendes Gesicht) und Quietschfarben, diesmal auch thematisiert (rosa Schnee – weil er im Sonnenuntergang fällt).

Doch meine Begleitung hatte einen ganz anderen Film gesehen, in dem ihr viel unangenehm aufgestoßen war. Im anschließenden Gespräch wies sie auf die Doppelung jeder Film-Aussage durch Dialoge und/oder Bilder hin, bezeichnete ihn als plakativ, fühlte sich als Zuschauerin nicht ernst genommen (ich gebe das hoffentlich richtig wieder). Das fand ich hochspannend, denn ich konnte ihre Wahrnehmung durchwegs nachvollziehen, nur dass sie für mich nicht im Vordergrund gestanden hatte.

Doch unterm Strich sind das Thema des Films und Almodóvar wohl wirklich keine gute Kombination: Dem Regisseur, der auch das Drehbuch geschrieben hatte, waren keine filmischen Erzählmittel dazu eingefallen – die gefilmte Rückblende bekam fast etwas Entschuldigendes.

Julianne Moore und Tilda Swinton gut anderthalb Stunden zuzusehen, empfehle ich aber so oder so.

Zurück daheim hatte ich zu meiner Überraschung keinen echten Abendbrot-Hunger, aß also nur Äpfelchen – und die allabendlichen Süßigkeiten.

§

Wie ich richtig Respekt für Hugh Grant bekam, den ich eigentlich immer als Airhead einsortiert hatte.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/s5s06x7nrdk?si=WBttFWuG0-4z3pyv

§

Instagram-Tipp: Die britischen Illustratorin Angelica Hicks stellt Mode- und Roter-Teppich-Stylings nach, und sie postet Filmchen vom Ablauf (zu dem immer, IMMER mindestens ein Happen zu essen gehört). Das ist ungeheuer kreativ und großartig.

via @kid37

(Na gut, ihre Reels auf instagem haben ein paar Millionen Aufrufe – wahrscheinlich kennt sie mal wieder jede außer mir.)

Journal Samstag, 9. November 2024 – Eine weitere Generation lernt Sound of Music

Sonntag, 10. November 2024

Schön lang geschlafen.

Blick Richtung einem modernen Kirchturm im Nebelschleier, links angeschnitten Balkone, unten eine Straße mit Bäumen, an denen nur noch wenig Herbstlaub hängt

Ein weiterer Nebeltag.

Gleich nach Milchkaffee und Bloggen leistete ich meinen Beitrag zum gestrigen Event und schnippelte zwei Kilo Glockenäpfel für Apfelstrudel.

Aufsicht auf Küchenarbeitsfläche, rechts ein Dutzend geschälter Äpfel, links eine rote Plastikschüssel, in der bereits kleingeschnittene Äpfel zu sehen sind, beides mit auffalend hellem Fleisch

Wenn es stimmt, dass langsames Verfärben des Fruchtfleisches auf einen hohen Gehalt von Ascorbinsäure deutet, dann waren das Vitamin-C-Bomben. Dann hackte ich noch auf Bitte des Strudelbäckers Herr Kaltmamsell zwei Hände voll geröstete Haselnüsse von Elterns Busch.

Das Anlass: Nachmittags war die Bruderfamilie zum Gucken von Sound of Music eingeladen. Die junge Generation war gewarnt, dass das ein einschneidendes Erlebnis würde, möglicherweise schmerzhaft. Aber dass es in der Pause (damals hatten Filme mit 3 Stunden Länge noch eine Pause, hahahaha) zumindest österreichische Leckerei geben würde.

Draußen war es neblig und kalt geblieben, ich schlüpfte für meinen Isarlauf erstmals in die neue Winter-Laufjacke.

Ganzkörper-Spiegelselfie: Frau mit Mütze und Brille in dunkler Laufkleidung mit schwarzer Hose, schwarzer Jacke, die im oberen Teil ein helles abstraktes Muster hat

Direkt über Alten Südfriedhof an die Isar, auf der Westseite nach Süden über Flaucher nach Thalkirchen, nach gemessenen 45 Minuten kehrte ich um und lief auf der Ostseite zurück. Auf dem Rückweg sah ich schon auf der Thalkirchner Holzbrücke erste blaue Flecken durch die Nebel- und Wolkendecke, daraus wurden richtig blauer Himmel und Sonnenschein. Mein Körper spielte gut mit, die Kleidung erwies sich als genau richtig, ich kam in einen angenehmen Rhythmus, zu dem meine Gedanken fließen und Ideen entstehen konnten.

Schlichter Grabstein vor Ziegelwand, darauf ein stilisiertes Fernrohr und die Schrift "Josef Fraunhofer"

Mal wieder bei Joseph von Fraunhofer vorbeigeschaut. Die Schreibung seines Namens variiert, und das ist nicht der ursprüngliche Grabstein, der wurde wie so viele andere in der Bombennacht 2./3. Oktober 1943 zerstört. Die Stadt München hatte Fraunhofer zu Allerheiligen mit einem Kranz geehrt.

Ausblick aus einer Fußgängerunterführung mit Graffiti ins Grüne

Unter der Kapuzinerstraße.

Breiter Weg in Park mit Herbstlaub-lichten Bäumen, im Vordergrund von hinten ein Jogger mit roter kurzer Hose und ein blaues Leih-Fahrrad

Neblige Flusslandschaft mit kahlen Bäumen, im Vordergrund Brückengeländer, rechts eine Frau in hellgrüner Laufjacke von hinten

Nebel in Thalkirchen…

Drei berittene Pferde hinter Bäumen vor Fluss

… aber auch Reiter*innen

Zum Teil von Bäumen verdeckt: Bunte Kajaks, die von einzelnen Menschen auf einem Weg getragen werden, dahinter Fluss

und Kajak*innen auf dem Weg ins Wasser.

Pfeiler einer modernen Brücke von der Seite, darauf und auf der Brücke gemalt ein mächtiger bunter Greifvogel, der in seinen Krallen Werkzeug hält, unten beschritet mit "Bakunin"

An der Brudermühlbrücke entdeckte ich, dass der untere Teil des Bakunin-Gemäldes erneuert worden war: Ich sehe es es seit vielen Jahren unübermalt (soweit ich weiß, ist das eine deutliche Respekt-Geste), hier eine Aufnahme von 2018, dieses Jahr im Mai entstand aber unten ein neues Gemälde – das wurde rückkgängig gemacht.

Breitseite eine Betonbrückenpfeilers, bemalt mit abstrahierter Raumfahrtszene, im Vordergrund der Helm einer Astronautin

Außerdem ein ganz neues Streetart-Gemälde.

Breiter Kiesweg mit Spaziergänger*innen, links Fluss, im Hintergrund alte Brücke und Kirchtürme

Mit der Wittelsbacherbrücke im Blick wurde es sonnig. Ich machte einen kurzen Abstecher in den Biosupermarkt für einen letzten Einkauf.

Blauer Himmel mit senkrechten Federwolken, darunter kleiner Kirchturm über altem, parkähnlichen Friedhof

Sonne überm Alten Südfriedhof.

Seitlich an Trafokasten kleine Malerei eines Männchens mit Farbrolle und Lackeimer

In der Reisingerstraße: Marvin hat einen neuen Job.

Sonniger Balkon, davor kahle Bäume, darauf unter anderem zwei große Pflanzentöpfe mit Palmen, die jeweils drei weiße Blütenstände haben

Die Hakenlilie auf dem Balkon lässt es nochmal so richtig krachen.

Zum Frühstück gab’s einen Apfel sowie Roggenvollkornbrot mit Butter und Zwetschgenmus / mit Nocilla. Wir präparierten die Wohnung fürs Filmschauen (Bügelwäsche und Papiernester verstecken, Sofa und Sessel um den Fernsehbildschirm gruppieren).

Als die Bruderfamilie kam, verzögerte sich der Filmstart natürlich um die Zeit, die wir für den Austausch von Informationen benötigten, untern anderem hatten einige auf dem gestrigen Requiem von Altbürgermeister Peter Schnell gesungen: Er hatte sich von Anfang an für den Jugendkammerchor Ingolstadt eingesetzt, dessen Mitsängerin auch ich ein paar Jahre lang war.

Jetzt aber Bildung: Sound of Music aus dem Jahr 1965, die Generation der Nifften (der mittlere war durch Studienveranstaltung verhindert) sollte die Chance bekommen, die zahllosen Anspielungen im englischsprachigen Raum bis heute zu erkennen. Herr Kaltmamsell und ich disziplinierten uns und sangen an keiner Stelle mit.

Pause nach zwei Stunden. Herr Kaltmamsell hatte viel Apfelstrudel nach Familienrezept gebacken, lediglich veganisiert, den gab es aufgewärmt mit Sahne und zweierlei Vanilleeis (vegan und nicht) – sehr gut. So ließ sich auch das Drama der letzte Filmstunde durchstehen.

Die nächste Generation erklärte sich für informiert und beteuerte, die Erfahrung sei gar nicht so schlimm gewesen. Die Gäste brachen bald auf, es gab eine besonders passende Zugverbindung zurück nach Ingolstadt.

Wir räumten auf, zum späten Abendessen gab es die weitere österreichische Spezialität, die Herr Kaltmamsell vorbereitet hatte: Krautfleckerl mit Kraut aus Ernteanteil und Farfalle. Dazu Schnaps: Neben einem wundervollen Blumenstrauß hatten die Gäste uns ein Flascherl Enzian mitgebracht. Wurde nach meiner Erinnerung in meiner Kindheit noch regelmäßig angeboten, war mir aber schon ewig nicht mehr begegnet – unverständlich, denn wir fanden ihn beide besonders und aromatisch.

§

Die Bundeswahlleiterin Ruth Brand tut ihren Job und weist auf die Folgen und Risiken eines Hauptsache baldigen Wahltermins hin, hier ihr Original-Brief.

Daraufhin las ich Stimmen, die ihr Projektleitungskompetenz absprachen, wenn nicht sogar stereotypische Behördenträgheit unterstellten. Ich bin verdutzt, denn wer sonst sollte sich bitte mit den zahllosen Orga-Details und Bestimmungen für eine Bundestagswahl auskennen? Ich halte es sogar für ihre Pflicht, sich zu Wort zu melden. Und welch ungeheurer Aufwand eine Bundestagswahl ist, ahnt zumindest jede, die mal wahlgeholfen hat. Kleinere Gemeinden haben nicht wie Städte ständige Wahlämter mit entsprechender personeller Ausstattung, dort machen Gemeinde-Angestellte das alle paar Jahre als zusätzliche Belastung mit (Frau Brüllen hat mal eine sehr erleuchtende Leserinnenzuschrift dazu veröffentlicht).

Tagesschau.de hat sich die Bestimmungen wenigstens zum Teil genauer angeschaut und nachgerechnet:
“Früher Wahltermin? Das könnte zu Problemen führen”.

Wahlvorschläge für die Wahlkreise und Landeslisten der Parteien sind spätestens am 69. Tag vor der Wahl schriftlich einzureichen. Im Anschluss muss der Bundeswahlausschuss über die Zulassung der Wahlvorschläge entscheiden. Würde Scholz also schon nächste Woche die Vertrauensfrage stellen, hätten die Parteien nur etwa eine Woche Zeit, ihre Erststimmen-Kandidaten und ihre Wahllisten in allen Bundesländern aufzustellen. Für kleinere Parteien könnten die Probleme noch größer sein, da sie Unterstützerunterschriften sammeln müssen.

Eine solche Situation würde das Vertrauen in die Demokratie wohl kaum stärken.

Journal Freitag, 25. Oktober 2024 – Neue Backform, neuer Zauberstab (und persönliche Gottschalk-Erinnerungen)

Freitag, 25. Oktober 2024

Eigentlich wundert mich eher, dass mir das nicht öfter passiert: Einen Entwurf dieses Posts habe ich gestern Nachmittag versehentlich veröffentlicht, durch “privat”-Stellen gleich wieder offline genommen. Ich bitte um Nachsicht für die Verwirrung.

Wieder vom Weckerklingeln geweckt, diesmal aber zumindest mit der Aussicht: Morgen und übermorgen zweimal NICHT!

Zum Abschluss der Morgentoilette beduftete ich mich endlich wieder mit meinem aktuellen Lieblingsparfum Eidesis (so schön trocken holzig!): In den Monaten davor hatte ich eine stark duftende Körperlotion verwendet, das wollte ich nicht mischen. (Kürzlich im Nachruf auf einen exzentrischen Parfumhändler gelesen, er habe jeden Tag ein anderes Parfum verwendet – und schon konnte ich mir keinerlei Duft-Kompetenz bei ihm vorstellen, welch grauenhaftes Durcheinander selbst bei täglicher gründlicher Körperreinigung -> Kleidung!)

Morgendunkle Altstadtstraße mit herbstbunten Bäumen, parkenden Autos; mitten auf dem Gehweg steht ein neongrünes Leih-Fahrrad

Münchner Humor.

Das Draußen wurde nur zögerlich hell, ließ weitere Erleuchtungen nach der Stufe Lesen-ohne-Lampe-möglich bleiben, Hochnebel.

Emsiger Vormittag, in dem ich mich auch um Dinge kümmern konnte, die niemand im Blick hat (und die nur wichtig würden, wenn irgendwann jemand entdeckte, dass sich seit Jahren niemand darum gekümmert hat).

Bester Mittagscappuccino im Westend, auf dem Rückweg Brotkauf. Vielleicht nehme ich irgendwann das automatische Angebot der Angestellten an, dieses Brot in Scheiben schneiden zu lassen – einfach um herauszufinden, was ein Bäckerei-Brotschneideautomat aus einem frischen und sehr feuchten Roggenvollkornbrot macht, mein Tipp: Matsch.

Mittagessen später am Schreibtisch: Fenchelsalat (Ernteanteil), Roggenvollkornbrot.

Display eines Stationär-Telefons mit Meldung „Notbetrieb“

Dysfunktionalitäten. Ich möchte bitte ein Schild “Notbetrieb” für meinen Schreibtisch und die Auswahl eines solchen Status auf MS Teams. Für alle Fälle.

Ab zwei schob die Sonne den Hochnebel immer weiter weg, doch bevor es richtig sonnig werden konnte, übernahm schon wieder der Hochnebel.

Zäher Arbeitsnachmittag, auch der endete irgendwann in Feierabend.

Über ausführliche Lebensmitteleinkäufe für Abend und Wochenende ging ich nach Hause: Vollcorner, Verdi – inklusive Schwatz mit der Frau an der Kasse von immer über das ständige Wechseln zwischen Sprachen. Diesmal aktualisierte ich die Einkaufslisten-App ganz, ganz oft, um Doppelbesorgungen wie am Freitag zuvor zu vermeiden.

Wie geplant machte ich mich daheim erstmal ans Backen: Die neue 30-cm-Kastenform sollte mit Nusskuchen getestet werden, ich hatte mich für dieses Rezept aus einer Kommentarempfehlung entschieden.

Auch für Teil 1 des gestrigen Nachtmahls hatte ich mich verantwortlich gemacht: Artischocken mit Knoblauch-Majo. Während die Artischocken im kochenden Wasser garten, weihte ich den neuen Zauberstab ein, Spielanleitungs-gemäß verwendete ich die Schlagscheibe für die Idioten-Majo.

Durchsichtiger Becher mit viel Öl, unten ein Ei und Gewürze

Zutaten in Becher (der neue Zauberstab kam mit einem neuen, durchsichtigen). Zauberstab langsam versenken.

Becher, in dem ein Zauberstab steht, oben ein wenig Öl, unten Majo

Zwischenrgebnis zwei Sekunden nach Einschalten. Zauberstab langsam hochziehen, dann so lange bewegen, bis kein Öl mehr sichtbar ist.

Durchsichtiger Becher mit Majonese

Majo fertig. Ein Drittel davon mischte ich mit reichlich Joghurt, würzte mit Salz, Pfeffer, frisch gepresstem Knoblauch.

Als Aperitif gab es von Little Crab Orangenwein und Wermut – als Probiererl vor einem Jahr von der Herstellerin geschenkt.

Gedeckter Tisch für zwei mit Bast-Sets, in tiefen Glastellern ganze Artischocken, daziwschen eine weiße Schale mit weißer Sauce, zwei Weingläser, eine Weinflasche mit der Aufschrift "Nouat", auf der gegenüberliegenden Seite sitzt ein Mann mit rotem Shirt und Strickjacke

Nachtmahl, Teil 1: Zur Artischocke hatte ich den mallorquinischen Weißwein Nounat bestellt, den Frau Brüllen empfohlen hatte, den ich in Port d’Alcúdia sogar gesehen hatte – allerdings in einem geschlossenen Weinladen. Jetzt wollte ich aber endlich! Stellte sich heraus, dass diese Cuvée aus Prensal Blanc und Chardonnay tatsächlich sehr elegant und besonders schmeckt – und hervorragend zu den Artischocken passte.

Als Teil 2 hatte ich mir Pfefferleber gewünscht, die Herr Kaltmamsell aus Kalbsleber briet, wunderbar. Nachtisch Süßigkeiten, Schokolade.

Dazu ließen wir im Fernsehen Addams Family von 1991 laufen – und stellten fest, dass wir diesen ersten Teil überraschenderweise viel weniger kannten als die Fortsetzung – dabei war das SO eine Erleuchtung damals im Kino!

Nach dem enttäuschenden Dusse hatte ich noch Donnerstagabend in die nächste Lektüre reingelesen, wieder termingerecht bereitgestellt von der Münchner Stadtbibliothek: Raphaela Edelbauer, Die Inkommensurablen. Und war im Wien des späten 19. Jahrhunderts gelandet – für meinen Geschmack ein wenig zu faktendicht erklärend, aber ich wollte umgehend wissen, wie es mit dem 17-Jährigen vom Land weitergeht.

§

Ich habe ja das Glück, dass mein Thomas Gottschalk der prä-Wetten-dass ist, den man nur als Alte und als damalige Hörerin von Bayern 3 kennt. Seine Sendung Pop nach acht lehrte mich internationales Pop-Geschäft, sein Tonfall und die Art seiner Interviews mit Studiogäste waren anders als alles, was ich je im Radio gehört hatte. Gottschalk sprang auch in anderen Sendungen ein. Unvergessen, wie ich Mitte der 1980er mal aus der Schule heimkam, im Radio (bei uns lief damals sehr viel Radio, immer Bayern 3) die mittägliche Sendung “Schlagerkarussel”. Eine Dame sang gerade leidenschaftlich “Wer Liebe will, muss auch Liebe geben”, woraufhin sich eine Moderatorenstimme einschaltete (allein das war unerhört: mitten in die Musik reinzusprechen!): “Da könnte ja jeder kommen: ‘Wer Eier will, muss auch Eier legen’.” Der eingesprungene Thomas Gottschalk, und Radiohören war nie wieder wie vorher.

Dann die Zeit in den nur wenig späteren 1980ern, in der Gottschalk mittags die “B3-Radioshow” mit Günther Jauch machte: Doppelmoderation bei der Übergabe, auch etwas, was es zumindest für mich vorher nicht gegeben hatte – und Jauch kannte ich aus der Sendung “Morgentelegramm”, wo er mir durch seine Sachkenntnis und sein unbeirrbares Nachhaken in Interviews aufgefallen war.

Während dieser Zeit, 1987/1988, arbeitete ich selbst beim Privatradio. In den Büros lief natürlich der eigene Sender (genauer: liefen die drei Sender, die sich über den Tag abwechselnd die Frequenz teilten, es waren die wilden Anfangszeiten des Privatsendertums) – nur zwischen 13 und 14 Uhr wurde auf Bayern 3 umgestellt, und wir klebten an jedem Wort. Alle wollten wir moderieren wie Thomas Gottschalk, so witzig und schlagfertig. (Und journalistisch wollte ich sein wie Günther Jauch – weiß man heute ja gar nicht mehr, dass Jauch als richtiger Journalist angefangen hat.)

1988 ging ich nach Augsburg zum Studieren, lebte die nächsten zehn Jahre ohne Fernseher, hörte im Radio vor allem Nachrichtensendungen und Hörspiele: Thomas Gottschalk war ab dann nicht mehr Teil meiner Welt (na gut, bei meinen Eltern habe ich sicher die eine oder andere Folge “Wetten dass” gesehen, zumindest habe ich Gottschalk in abenteuerlichen Stylings vor Augen).