Filme

Journal Sonntag, 1. Januar 2017 – Palma-München

Montag, 2. Januar 2017

An Silvester hatte ich mich an der Bushaltestelle vergewissert, dass die Busse zum Flughafen auch am frühen Morgen des 1. Januar fahren würden. Taten sie – nur kamen wir mit unseren Koffern nicht rein, weil sie knallvoll waren. Dankbar nahmen wir den Vorschlag eines weiteren deutschen Touristen an der Haltestelle an, uns ein Taxi zum Flughafen zu teilen. Der Taxifahrer erklärte uns, dass die meisten Lokale an Neujahr zwischen 6 und 7 Uhr morgens schließen, das erklärte die lautstark feiernden Gruppen auf der Straße und die vielen Buspassagiere.

München empfing uns mittags mit Raureif und kalter Sonne.

Erst mit der warmen Suppe, die Herr Kaltmamsell zum Abendbrot servierte, wurde mir warm bis in die Zehenspitzen.

Abendunterhaltung war der Film Swing Time von 1936 – bescheuerte Handlung, aber großartige Tanzszenen. Und vielleicht mit einem Motto für 2017.

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https://youtu.be/2ze6IcgdenE

Journal Samstag, 19. November 2016 – Fernsehüberraschung

Sonntag, 20. November 2016

In der Nacht hatte mich die Migräne geholt, niedergerungen von einer Dosis Triptan. Nach dem Ausschlafen saßen ihre Nachwehen im Hirn und zermatschten es.

Meine Schwimmpläne für den Samstag hatte ich bereits am Freitag begraben, als fast eine Woche zu früh die Regelblutung einsetzte. Schon meine Mutter musste an den ersten Menstruationstagen beim winterlichen Familienschwimmen am Sonntagvormittag passen, nostalgisiere ich das also zum Familienerbe. (Ich schreibe diese Frauendinge übrigens nicht aus übergroßem Mitteilungsbedürfnis auf, sondern um ein wenig transparent zu machen, welche Einschränkungen die Menstruation so mit sich bringen kann. Von wegen: “Aber dafür müssen Männer sich rasieren.”)

Gleichzeitig war das Wetter so ausnehmend greislich (dunkel, windig, durchgehender Regen), dass ich das Haus nicht zum Laufen verlassen wollte. Ich machte also den ganzen Tag keinen einzigen Schritt vor die Tür – für mich eine ausgesprochen seltene Ausnahme. Meinen Bewegungsdrang lebte ich auf dem Crosstrainer und mit einem halben Stündchen Krafttraining vor dem Fernseher aus. Machte beides Spaß.

Nach dem späten Frühstück legte ich mich zur Siesta wieder hin und schlief fast zwei Stunden tief.

Perfect malt loaf gebacken, der laut Rezept erst mal drei Tage durchziehen soll. Beim Backen daran gedacht, wie ich während meines Auslandsjahrs in Wales meine englischen Freundinnen beim Kuchenbacken gefragt hatte, wie denn “Teig” auf Englisch heiße. Und erst nach langem Hin und her lernte: Kommt drauf an. Hefeteig ist dough, sonstiger Knetteig pastry, Rührteig cake mixture (süß) oder batter (kann süß und salzig sein). Allerdings gelten nur pastry und batter auch nach dem Backen noch. Hihi.

Zum Abendessen bereitete ich Scheiterhaufen aus Ernteanteiläpfeln und servierte mit Vanillesoße. War gut, aber das Apfelaroma ließ mich bei jedem Bissen apple crumble erwarten – den ich dann doch lieber mag.

Nach der Tagesschau stieß ich im Fernsehen auf 3sat auf einen aktuellen österreichischen Fernsehfilm und blieb hängen:
Wenn Du wüsstest, wie schön es hier ist.

Da schau her, ein Fernsehfilm, der mir das Vertrauen in deutschsprachige Fernsehfilme zurückgibt. Das Drehbuch von Stefan Hafner und Thomas Weingartner ist großartig, Gerhard Liebmann in der Hauptrolle herzerreißend gut. Er spielt den Polizisten und Postenkommandanten Hannes Muck im österreichischen Hüttenberg: “Leichen kennt er bisher nur aus dem Fernsehen und seiner Zeit als junger Verkehrspolizist” heißt es in der offiziellen Inhaltsangabe, und genau deshalb wollte ich den Film sehen. Das klang nämlich schon mal ganz anders als die herkömmlichen Krimibeschreibungen, die im deutschsprachigen Fernsehen immer auf Serien angelegt scheinen. In diesem Hüttenberg wird ein junges Mädchen aus der Gemeinde tot aufgefunden, und Muck ist völlig erschüttert und überfordert. Zunächst versucht er die Ermittlungen seinem Bild der Heimatgemeinde anzupassen, doch bald hindert ihn ein externer Chefinspektor daran.

Herr Kaltmamsell war sehr an Twin Peaks erinnert (habe ich bis heute nicht gesehen, fiel in meine Fernseher-lose Zeit), und das Drehbuch schafft es selbst vor diesem seltsamen Bergarbeiter-, Wald- und Heimathintergrund Klamauk zu vermeiden – obwohl rücksichtslos und realistisch Dialekt gesprochen wird, selbst für mich Süddeutsche bis knapp an die Unverständlichkeit. Die Handlung bleibt fast durchgehend bei Muck, und wir sehen dabei zu, wie sein Bild der Dorfgemeinschaft, das ihm Halt gegeben hat, Stück für Stück bröckelt. Dabei ist diese Handlung nicht mal originell, sondern enthält oft verwendete Versatzstücke: Dorfpolizist wird vom Kollegen aus der Stadt herumgescheucht, Dorfgemeinschaft mauert, unerwartete Liebesaffären, Polizist wird vom Dienst suspendiert und ermittelt auf eigene Faust weiter. Doch es kommt halt immer darauf an, wie sie erzählt werden. Selbst Details, die ich zunächst ein wenig angestrengt fand (Vater des Polizisten ist Kampfbuddhist, Polizist hört im Auto immer Heimatchormusik), stellen sich als funktional heraus.

§

“Harte Arbeit, wenig Geld
‘Meine Mitarbeiter, meine Vollidioten'”

Murat Can ist der Boss von achtzig Sicherheitsleuten und Türstehern. Früher war er selbst einer. Heute verleiht er die Männer. Die Kunst aber ist, sie zum Arbeiten zu bringen – irgendwie. Ein Tag im tiefsten Niedriglohnsektor.

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“George Takei: They interned my family. Don’t let them do it to Muslims”.

There is dangerous talk these days by those who have the ear of some at the highest levels of government. Earlier this week, Carl Higbie, an outspoken Trump surrogate and co-chair of Great America PAC, gave an interview with Megyn Kelly of Fox News. They were discussing the notion of a national Muslim registry, a controversial part of the Trump administration’s national security plans, when Higbie dropped a bombshell: “We did it during World War II with Japanese, which, you know, call it what you will,” he said. Was he really citing the Japanese American internment, Kelly wanted to know, as grounds for treating Muslims the same way today? Higbie responded that he wasn’t saying we should return to putting people in camps. But then he added, “There is precedent for it.”

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“Anglo-German relations are defined by mutual incomprehension”.

The German establishment simply does not understand Britain’s island mentality, and the complex, post-imperial blend of arrogance and insecurity that defines its stance towards the outside world (which I discuss in my latest column, on the transatlantic relationship). Britons, meanwhile, struggle with Germany’s equally distinctive sense of belonging and duty as the linchpin of the European order. The gap is even borne out in the architectures of the two polities. Westminster is a festival of Victoriana, a neo-Gothic reminder of Britain’s past hegemony and Blitz-era defiance. Berlin’s government quarter around the Reichstag has mostly risen in the past twenty years; all buildings rebuilt from, or built on, the ruins of extremism. Its very streets are studded with Stolpersteine, or brass cobblestones marking the victims of Nazism at the addresses where they once lived.

Journal Dienstag/Mittwoch, 15./16. November 2016 – War of the Encyclopaedists

Donnerstag, 17. November 2016

Dienstag an einem knackig kalten Morgen Langhanteltraining in der Gruppe – ich war überrascht, wie gut es lief, da ich mit deutlichen Hüftschmerzen aufgewacht war.

Frostiges Radeln in die Arbeit.

Abends war es milder geworden, dafür nass.

Meine Leserunde traf sich bei uns, wir sprachen über Christopher Robinsons und Gavin Kovites, War of the Encyclopaedists. Mir hatte der Roman gut gefallen, vor allem, weil mir diese Innensicht des US-amerikanischen Truppeneinsatzes im Irak neu war. Es geht um zwei junge Burschen, die Studenten Mickey Montauk and Halifax Corderoy, die Handlung beginnt 2004. Sie sind Freunde, die sich in Rom im Urlaub kennengelernt haben und sofort verstanden hatten. Montauk ist aber auch Reservesoldat und wird vor Beginn der grad school einberufen, um als Lieutenant nach Baghdad zu gehen, Corderoy geht an die Uni. Da die beiden wissen, dass sie einander eh nicht schreiben werden, setzen sie in Wikipedia eine neue Seite “Encyclopeadists” auf, die sie hin und wieder aktualisieren – und der Inhalt spiegelt spielerisch ihre aktuelle Befindlichkeit. (Kurzes Auflachen, wie unmöglich das in der streng überwachten deutschen Version von Wikipedia wäre – thematisiert die Übersetzung das eigentlich?)

Die beiden Welten werden abwechselnd erzählt. Corderoy kommt weder im Studium noch daheim zurecht, versinkt in Einsamkeit, Alkohol und anderen Drogen. Montauk findet sich in einer völlig unberechenbaren neuen Situation und Rolle, muss praktisch jeden Moment Entscheidungen treffen, die Leben kosten können – und vertut sich häufig. Diese Welt des US-Militärs im Irak fand die Leserunde einstimmig besonders interessant, weil sie so viel Information transportierte. Corderoy wiederum wird als ein Typ Slacker geschildert, den man eher in den 90ern erwarten (siehe Reality Bites).

Tragende Rollen spielen auch zwei Frauen, aus deren Sicht ebenfalls immer wieder Kapitel erzählt werden. Mani ist eine junge Künstlerin, die als Corderoys Geliebte eingeführt wird, die er aufs Fieseste sitzen lässt. Sie gehört eher in die Slacker-Welt, bekommt aber durch ihr künstlerisches Schaffen Bodenhaftung. Tricia ist eine Studentin, die sich mit Corderoy die Wohnung teilt und die Perspektive des gar nicht dummen, aber gefährlich naiven politischen Aktivismus vertritt. Ich fand beide Figuren interessant und vielschichtig gezeichnet, andere Leser aus der Runde sahen sie als reine Stichwortgeberinnen.

Gut wegzulesen das Buch, mit einigen anregenden Einblicken – muss aber nicht unbedingt auf jeden Fall dringend.

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Am gestrigen Mittwoch regnete es durch.
Das war auch deshalb blöd, da ich mit Fahrrad fahren musste: Nach Feierabend hatte ich noch etwas vor, und für genau diese Strecken wären öffentliche Verkehrsmittel umständlich gewesen. Aber: Die Temperaturen waren deutlich gestiegen.

Das Vorhaben war ein Besuch beim Handy-Schrauber in der Maxvorstadt. Ich ließ ihm mein iphone da; als ich es 20 Minuten später abholte, bestätigte Herr Schrauber den Akku-Defekt (“schon eine Luftblase” – ?) und hatte einen neuen eingebaut. Den alten ließ ich mir mitgeben (ist ja gefühlt sowas wie ein gerissener fauler Zahn), freute mich über die Aussicht, ohne externen Riesenakku in der Manteltasche Pokémon fangen zu können.

Zum Nachtmahl Portulak aus Ernteanteil sowie Käse und Brot, im Fernsehen dazu Ein Teil von uns mit den großartigen Hauptdarstellerinnen Jutta Hoffmann und Brigitte Hobmeier. Auch sonst ein gut gemachter Film, der Effekthascherei und Klischees in Wort, Bild und Ton umgeht (leider ist das so bemerkenswert, dass ich gerne über den einen oder anderen Konsistenzknick in der Handlung hinwegsehe). Bis 16.2.2017 in der Mediathek nachschaubar.

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Die Dezemberdüsternis scheint mich dieses Jahr besonders früh zu erwischen. Mag an der frühen Kälte dieses Jahr liegen, die es in Verbindung mit bedecktem Himmel schon um vier recht dunkel werden lässt, an den düsteren Umständen der Lebensunterhaltsicherung, an der düsteren Weltpolitik. Oder halt an Hormonen.

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“Because I Was a Girl, I Was Told …”

Vielfältige Einzelgeschichten von Frauen verschiedenen Alters in der New York Times.
Besonders gefiel mir diese:

Louise Jones McPhillips
62, Birmingham, Ala.

In 1966, I met with our 7th-grade school counselor after taking a “career aptitude” test. On the test, my match for a dream career was architect. The counselor told me that wasn’t possible because, as he explained, architects had to know a lot of math, and girls “didn’t do” math. Deflated and dismayed, I apologized for not knowing that such a path was not open to me. My second choice from the aptitude test was kindergarten teacher. The final report I gave to the counselor consisted of the most elaborate and detailed designs and drawings for a kindergarten classroom ever. Some years later, I got my master’s in architecture and became one of the first female registered architects in Alabama.

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Ein wenig Glitzer im novemberlichen Dezemberdunkel:

https://youtu.be/4qzIZ2EP8Uw

Journal Donnerstag/Freitag, 27./28. Oktober 2016 – Doctor Strange

Samstag, 29. Oktober 2016

Ticket für die re:publica 2017 gesichert – woohoo! In Zeiten, in denen das Web so etwas völlig anderes wird, als ich es mir erhofft hatte, freue ich mich um so mehr darauf, meine Internet People zu treffen.

Im Kino Doctor Strange gesehen. Der Marvel-Fanboy an meiner Seite war so nett, mir keine Details zu verraten, und Kritiken hatte ich davor auch noch keine gelesen, so konnte ich mich doppelt über SWINTON! als the ancient one freuen (sie ist perfekt besetzt und einfach großartig) und mich völlig in die Hollywood-Illusionen fallen lassen. Auch Cumberbatch macht seine Sache sehr gut, er kann den arroganten Überflieger in deutlich mehr Variationen spielen als nur der von Sherlock. Und entspannenderweise ist seine Figur keineswegs nur sympathisch (z.B. als running gag sein Pochen auf seinem Doktortitel).

Die visuelle Dramaturgie hält sich ans gewagte “mit einem Erdbeben anfangen und dann langsam steigern”: Gleich ganz am Anfang treiben die Bilder die Inception-Ästhetik der gefalteten und verschobenen Städte noch ein paar Schritte weiter – und lassen darin eine klassische Wire fu-Szene spielen (mit SWINTON!).

Das Detail, das mir allerdings am intensivsten nachging, mein eigentlicher Star des Films: Der Umhang, The Cloak of Levitation (hinter dem Link ist ein gif davon, das ich mir seit Minuten ansehe). Er ist ein kompletter side kick inklusive Schabernack, und ich werde wohl nie die Bilder vergessen, wie ein Umhang aus schwerem Tuch einen Bösewicht vermöbelt.

Das Drehbuch ist sorgfältig, und wenn auch Superheldencomic-typisch wenige Frauen auftauchen, haben sie Doctor Strange im Film mit Rachel McAdams eine höchst kompetente irdische Freundin gegeben, die ihm als Ärztin mehrfach das Leben rettet.

Tipp mal wieder: Bis zum Ende des Abspanns sitzenbleiben. Ganz zum Ende.
(Und wenn Sie wie ich seit Langem fragen, wie man wohl den Namen Chiwetel Ejiofor ausspricht: So.)

Die Fugly-Damen haben den Filmstart zum Anlass für eine Tilda Swinton-Restrospective genommen. Sie sieht immer besser aus, je älter sie wird – ich kann’s kaum erwarten, wie sie weiteraltert.

Auch zu Benedict Cumberbatch haben sie eine Retrospektive zusammengestellt, die allerdings lang nicht so interessant ist.

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Ich habe frei bis Mittwoch, auf diese vier Tage freue ich mich seit Wochen. Herr Kaltmamsell ist für diese Tage wieder zum Rollenspielen verabredet (Call of Cthulhu, Pen and Paper – tut mir ja auch leid, aber in einer Partnerschaft bleibt mit der Zeit auch ohne echtes Interesse am Thema Fachkenntnis hängen), doch der Start verschob sich um einen halben Tag, so dass ich ihn am gestrigen Abend noch daheim hatte.

So läuteten wir das Wochenende zusammen ein, mit Pizza im The Italian Shot im Glockenbachviertel.

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Journal Freitag, 14. Oktober 2016 – Das echte Leben

Samstag, 15. Oktober 2016

Morgens mein selbstauferlegtes Kleidungskaufverbot gebrochen und unter anderem einen Rock bestellt, zu dem perfekt mein dunkelblauer Fledermausärmel-Angorapullover vom Flohmarkt mit tiefem Rückenausschnitt passt. Den ich allerdings vor über 25 Jahren aussortiert habe, blöd auch.

§

Weil sie’s schon angekündigt hatte, das Süddeutsche Magazin sofort nach Anne Wizorek in “Sagen Sie jetzt nichts” durchblättert – mich sehr gefreut.

Stichwort “große süße Maus”, wie die Lokalpolitikerin Jenna Behrends sich bezeichnen lassen musste: In der Septemberausgabe von Spektrum der Wissenschaft (schickes neues Titeldesign übrigens!) las ich mit großem Interesse den ausführlichen Artikel über die Mikrobiologin Emmanuelle Charpentier, eine der maßgeblichen Erfinderinnen der CRISPR/Cas9-Technologie, eines revolutionären Systems zur gezielten Veränderung von Gensequenzen. Seit 2015 ist Charpentier Direktorin am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin.
Und was sagt laut diesem Artikel der Geschäftsführer von CRISPR Therapeutic (von Charpentier mitgebründet), Rodger Novak, über sie: “Sie ist ein kleines Persönchen mit sehr starkem Willen und enormem Durchhaltevermögen.”
Nein, ich halte mich nicht für überempfindlich, wenn ich da die Luft anhalte. Versuchen Sie sich einfach vorzustellen, er würde einen Mann welcher Maße auch immer als “kleines Persönchen” bezeichnen.
Können Sie nicht?

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Auf dem trockenen, nicht mehr ganz so kühlen Heimweg Wochenendeinkäufe beim Edeka, beim Weitergehen Sehnsucht nach einem Blumenstrauß entwickelt. Als ich mich noch fragte, ob die Blumenstandlerin am Sendlinger Tor wohl schon Feierabend gemacht haben könnte, fiel mir der Rosentagsrosenblumenladen ein, den ich doch hatte unterstützen wollen.

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Daheim Herrn Kaltmamsell geknutscht, Blumen angerichtet, in die Blaue Stunde gestellt.

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Nach einem kräftigen Tequila Sunrise beim Lesen der Blogkommentare hier rührselig geworden: SsssiesssinnndieBESSSTenKommentatorinnenunnnnnKommentaroren vonnnWeb!

Noch rührseliger geworden, als ich das frisch eingetroffene Päckchen öffnete.

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Meine Leibsommeliere Hande hatte mir den Beweis geschickt, dass es auch an der Mosel interessante Weine gibt. <3
Ich freue mich schon sehr aufs Probieren.

Ins Grübeln gekommen, was es bedeutet, wenn es sich die Welt erst Freitagabend so anfühlt, als begönne wieder das echte Leben. Ist das einfach normal? Habe ich mich genau damit unglücklich gemacht, dass ich etwas anderes erwarte?

Nachtmahl waren dann Saltimbocca (der Salbei, den ich am Donnerstag gekauft hatte, bestand aus Schnitzel-großen Blättern) mit Rosmarinkartoffeln.

Nachdem ich kürzlich daran erinnert wurde, guckten wir das Musical The Gay Divorcee, großes Vergnügen. “Careful! He might be a tenor!”, hatte ich schon wieder vergessen.

Journal Mittwoch, 12. Oktober 2016 – #12von12

Donnerstag, 13. Oktober 2016

Heute mit Fotos in Worten.

1. Goldene Camper-Schnürschuhe.
Eines der Paare, mit denen ich gut den ganzen Tag zu Fuß gehen kann und für die ich keine Wechselschuhe einstecken muss, weil sie zu wenig bürotauglich sind (zu hässlich/zu warm/zu schmutzig). Beim Schuhebinden spürte ich den Muskelkater vom vortäglichen Langhanteltraining. Und den ganzen Tag über beim Gehen.

2. Werbeplakat auf dem Weg in die Arbeit.
Das groß abgebildete Objekt hatte ich zunächst für einen Insulin Pen oder Schwangerschaftstests gehalten, schließlich stand auch drunter “Das ändert alles” – und mich durchaus über den finanziellen Werbeaufwand für solch ein Nischenprodukt gewundert, da musste ja eine mords Marge drinstecken. War bei näherer Betrachtung aber doch nur Werbung für Elektrozigaretten.

3. Großblättriger Grüntee in runder Teedose.
Nach Langem machte ich mir mal wieder eine Kanne Grüntee. Und wieder war ich überrascht, wie schnell Grüntee in mir verschwindet. Zwar reichen 1,5 Liter Verbene- oder Lindenblütentee auch nur bis Mittag, aber grüner Tee ist bereits nach höchstens drei Stunden weg, gestern schon nach zwei.

4. Riesentasse Schwarztee.
Deswegen und weil mir kalt war, machte ich mir gleich im Anschluss nochmal heißen Tee.

5. Oranger Auflauf auf ovalem Teller steht auf aufgeschlagener Süddeutscher.
Süßkartoffelauflauf zum Mittagessen; ich hatte nichts mehr daheim gehabt, was zur Brotzeit taugte, und musste zukaufen.

6. “Guruguru, wauwau”.
Überschrift auf der “Panorama”-Seite der Süddeutschen zum Nachruf auf den Tierheiler Tamme Hanken. Große Liebe für diesen Asterix-Fan in der SZ-Redaktion.

7. Der nachmittägliche Herbsthimmel,
der auf kleinstem Ausschnitt alle Farben von Himmelblau bis Dunkelgrau präsentierte.

8. Theresienwiese von Theresienhöhe aus.
Golden beschienen die Zelte des Oktoberfests, die bereits zum Teil abgebaut sind, und das schwere Gerät, mit dem sie abgebaut werden.

9. Blick in die Kiste mit Ernteanteil.
Ein kleiner Kopf Eichblattsalat von hinten, ein kleiner Wirsingkopf, zwei Fenchelknollen, eine Papiertüte (da waren die Tomaten drin), am Boden sieht man Karotten. Nicht im Bild: zwei grüne Paprika, ein großer Hokkaidokürbis – der erste der Saison. Da Herr Kaltmamsell berufliche Termine hatte, übernahm ich die Abholung unseres Ernteanteils in der Hans-Sachs-Straße. Den Salat und eine Karotte gab es für mich zum Abendessen. (Nachtisch: Zwei Stück Kuchenreste und mehrere Lebkuchen.)

10. Ein Latte macchiato im Glas.
Ich hatte beim Heimkommen großen Hunger und wollte bis zur Fertigstellung des Abendbrots nicht wie am Vorabend wahllos irgendeinen Mist in mich stopfen. Milchkaffee sättigt übergangsweise, zum Glück habe ich koffeinfreien Espresso im Haus. Und gewärmt hat er auch noch!

11. Meine grüne Wärmflasche an Fußende des Betts.
So kalt, wie mir den ganzen Tag war, würde ich mich beim Zu-Bett-Gehen sicher darüber freuen.

12. Auf meinem Nachtkastl (Schubladenkommode neben meinem Bett) kurz vorm Lichtausschalten.
Taschenbuch (Shirley Jackson), Brille, leere Beißschienendose, Migränespray, Ohropaxdöschen, benutztes Taschentuch, Wecker mit Ziffernblatt (zeigt 20 nach 10 an), Wecker mit Digitalanzeige, Smartphone (das mich tatsächlich weckt).

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Lassen Sie sich mitnehmen von Goncourt’s Blog zu einem Besuch bei der italienischen Familie.

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Ärzte ohne Grenzen erklären ausführlich:
“There is no such thing as ‘free’ vaccines: Why we rejected Pfizer’s donation offer of pneumonia vaccines.”

Denn wie immer: Es ist kompliziert.

They continue to offer donations that give Pfizer a tax break rather than offer a sustainable solution by lowering the price of the vaccine overall. Accepting Pfizer’s donation today would not do anything for the millions of children living in countries like Iraq, Jordan, Philippines, Romania, and Thailand, among many others, where neither their parents nor their governments can afford the expensive vaccine.

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Ein Tweet erinnerte mich an das grandiose Astaire-Rogers Musical The Gay Divorcee von 1934. Ich hatte sofort Musik aus dem Film im Ohr (“The Continental”, “Needle in a Haystack”).

Mit Ihnen teilen möchte ich die albernste Nummer aus dem Film:

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https://youtu.be/2s56o_8MAOc

Gastauftritt von Betty Grable – die damals wohl das beliebteste pin-up girl war und sonst nicht mehr im Film auftaucht.

Ich will ALLE Kleidung in dieser Szene, vor allem die Badeanzüge. Na ja vielleicht mit Ausnahme von Edward Everett Hortons Outfit. Obwohl – die Sandalen?
Und zum wiederholten Mal frage ich mich, wie sich das Frauenbild in Mainstream-Hollywoodfilmen seither derart zurückentwickeln konnte.

Journal Sonntag, 18. September 2016 – Tschick

Montag, 19. September 2016

Der Tag begann mit einem Geburtstagskuchen und vielen Kerzen.

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Es regnete weiter unablässig, zur Turnstunde am Ostbahnhof nahm ich lieber U- und S-Bahn – zumal die mich auch unter dem Oktoberfestumzug durchführten.

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Viel Spaß bei Stepaerobic.

Nach Hause ging ich zu Fuß: Zehn Minuten davon regnete es nicht mal, außerdem wollte ich Pokémon fangen.

Nachmittags lud ich den Geburtstagsmann ins Kino ein: Ums Eck im City läuft Tschick – ich wurde bestens unterhalten. Nicht zufällig übernimmt der Film sogar den Schriftzug des Romans: Er hält sich sehr an die Vorlage. In Kombination mit zwei perfekt besetzten Hauptdarstellern (ich hoffe sehr, dass ich Anand Batbileg bald in weiteren Rollen sehe) wurde ein wirklich schöner Film daraus. Herrndorfs Dialoge sind einfach Kracher, die gleichzeitige befangene Unsicherheit und das selbstvergessene Bravado von 14-Jährigen ist wunderbar eingefangen, der Einfall mit den Windrädern ein Geniestreich. Zu meckern habe ich bloß an der Besetzung von Isa: Sie war gleich ein paar Jahre zu alt. Zudem: Wie hätte es sich wohl auf dem Film ausgewirkt, wenn wirklich als einzige Musik Clayderman verwendet worden wäre? (Und wurde Herr Clayderman eigentlich schon gefragt, wie er seine Rolle in der Geschichte findet?)

Zur Feier des Tages durfte Herr Kaltmamsell selbst kochen: Er wollte chinesisches velveting (Fleischzartmachen mit Backnatron) ausprobieren.

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Funktionierte gut, schmeckte sehr gut.

§

Der britische Schauspieler Riz Ahmed erzählt von seiner Vergangenheit und seiner Gegenwart – und den sich verändernden Stereotypen, auf die er sich einstellen musste.
“Typecast as a terrorist”.

As children in the 1980s, when my brother and I were stopped near our home by a skinhead who decided to put a knife to my brother’s throat, we were black. A decade later, the knife to my throat was held by another “Paki”, a label we wore with swagger in the Brit-Asian youth and gang culture of the 1990s. The next time I found myself as helplessly cornered, it was in a windowless room at Luton airport. My arm was in a painful wrist-lock and my collar pinned to the wall by British intelligence officers. It was “post 9/11”, and I was now labelled a Muslim.

(…)

As I’ve travelled more, I’ve also done more film work, increasing the chances of being recognised by the young Asian staff at Heathrow. I have had my films quoted back at me by someone rifling through my underpants, and been asked for selfies by someone swabbing me for explosives.

Sehr interessant finde ich Ahmeds Beobachtung zu Selbstbild vs. gesellschaftlicher Realität in UK und USA:

Producers all said they wanted to work with me, but they had nothing I could feasibly act in. The stories that needed to be told in the multicultural mid-2000s were about the all-white mid-1700s, it seemed. I heard rumours that the Promised Land was not in Britain at all, but in Hollywood.

The reason for this is simple. America uses its stories to export a myth of itself, just like the UK. The reality of Britain is vibrant multiculturalism, but the myth we export is an all-white world of lords and ladies. Conversely, American society is pretty segregated, but the myth it exports is of a racial melting-pot, everyone solving crimes and fighting aliens side by side.