Journal Montag, 25. November 2024 – Das Risiko der Geräuschlosigkeit
Dienstag, 26. November 2024Halbe Stunde zu früh aufgewacht, aber nochmal eingeschlafen.
Es wurde hell zu Almodóvar-Farben.
Ein klarer, frostiger Wintermorgen, aber weiterhin nicht böse beißend: Schöner Marsch ins Büro. Auf den letzten hundert Metern klimperte es im Saum meines langen Mantels: Der Hausschlüssel war durch ein Loch in der Manteltasche gerutscht. Ging leichter zurückzuprokeln als befürchtet, Loch sollte dennoch schnellstmöglich verschlossen werden.
Emsiger Vormittag mit viel flexiblem Einspringen rechts und links. Zu meinen Zielen als Assistenz gehört ja Geräuschlosigkeit im Maschinenraum (ich unterstelle mir dabei durchaus Hochmut) – nur dass mir hin und wieder einfällt: Wenn ich niemanden mitkriegen lasse, wie viel Erfahrung, Schnelligkeit, Einsatz und Detailswissen hinter diesem Funktionieren vornerum steckt, gebe ich ja niemandem eine Chance, für den Fall vorzusorgen, dass ich mal ausfalle. Und dann sind alle überrascht, dass plötzlich an allen Ecken Chaos ausbricht und sich niemand auskennt. (Sie erinnern sich vielleicht: Eigentlich möchte ich mich ja so wenig unersetzlich machen wie möglich.)
Für meinen Mittagscappuccino wollte ich unbedingt weit durch die herrliche Sonne und wie angekündigt unpassend milde Luft marschieren. Ich steuerte ein italienisches Café an, das ich beim Einkaufen aus dem Augenwinkel gesehen hatte – doch es stellte sich als Pizza-Laden heraus, der noch nicht mal geöffnet hatte. Also statt dessen Cappuccino von einer Bäckerei-Theke. Wie immer bei Bäckerei-Cappuccino für meinen Geschmack zu Milch-lastig, doch erst kürzlich las ich, dass das steuerliche Gründe hat: Auf Milch ist als Grundnahrungsmittel nur 7 Prozent Mehrwertsteuer abzuführen, enthält der Cappuccino ordnungsgemäßen höheren Espresso-Anteil, werden 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig. Ich erfinde nichts.
Rückweg ins Büro unter blauem Himmel. Mittagessen einige Jobs später: Äpfelchen, eingeweichtes Müsli mit Joghurt.
Nachmittag mit Arbeit, die aber gut zu bewältigen, nur viel. Draußen blieb es wolkenlos sonnig, ich genoss jeden Blick durchs Fenster. UND ich musste weiterhin nicht frieren! Große Hoffnung, dass wir zu normalen Heizungs-Verhältnissen zurückgekehrt sind.
Herr Kaltmamsell diente mir wieder als Test-Gast für eine Online-Veranstaltung, die ich im Hintergrund organisiere und bei der sich Technik-Überraschungen aufgetan hatten. Die konnte ich wahrscheinlich lösen, aber Herr Kaltmamsell fragte durchaus, ob das wirklich meine Aufgabe sei. Schon waren wir wieder bei möglichen negativen Folgen meiner Geräuschlosigkeit von oben.
Am Wochenende hatte ich die Klavierstücke von zwei Wochen davor zum zweiten Mal gehört – und schon verwendete mein Gehirn ein paar Akkorde als Ohrwurm (gerechterweise genau die, über die ich mich ob ihrer Melodramatik innerlich lustig gemacht hatte). Musikhören wird immer schwieriger.
Heimweg in milder Luft über die Theresienwiese und am Tollwood vorbei.
Zu Hause schloss ich erstmal mit Nadel und Faden1 das Loch in meiner Manteltasche, turnte dann Yoga-Gymnastik. Der Ernteanteil ist so gut wie weggegessen (die Kartoffeln gibt es Dienstagabend), Nachtmahl wurde Essen, das Herr Kaltmamsell beim Vietnamesen Chi Thu holte: Reisnudeln mit viel Gemüse und Kräutern, für Herrn Kaltmamsell mit Tofu, für mich mit Frühlingsrollen. Nachtisch Schokolade.
Früh ins Bett zum Lesen.
Die Leselampe um den Hals erwies mir wieder gute Dienste.
- Ich schreibe das dazu, weil ich in eine Familie eingeheiratet habe, in der Klebstoff als ernsthafte Alternative diskutiert wird. [↩]