Die Kirche St. Pius prägte meine Kindheit und Jugend: Ein moderner Bau aus den 50ern für das neu entstehende Wohnblockviertel im Norden Ingolstadts, in dem vor allem Angestellte des neuen Audi-Werks wohnten.
In letzter Zeit dachte ich oft an die freistehende Halbkugel aus Backstein mit Kupferdach, aus der die Betonfenster wie die Zacken einer Krone ragten, an den freistehenden Backsteinturm mit Zifferblatt. Vor allem aber erinnerte ich mich an die riesigen Glasfenster von St. Pius: Sie bestanden aus bunten, grob geschlagenen Glasbrocken, die von der Ferne Bilder ergaben (Kreuzweg plus Einzelbilder hinter dem Altar) – allein das schon inspirierender Anblick für ein Kind, das sich während der Predigt furchtbar langweilte. Ihr eigentlicher Zauber aber waren die einzelnen, unregelmäßigen Glassteine. Wenn ich zur musikalischen Umrahmung einer Messe beitrug, stand ich direkt daneben und konnte mich in ihre Schönheit versenken: Mir als Kind erschienen sie kostbar wie Juwelen, gleichzeitig brachen sie das Licht zu einem magischen Blick nach draußen wie durch ein Kaleidoskop.
Und so hatte ich das Bedürfnis, die Kirche St. Pius nach vielen, vielen Jahren mal wieder zu besuchen und sie genauer anzusehen. Erst aus diesem Anlass recherchierte ich den Architekt und den Künstler, der die Glasfenster geschaffen hatte. Der Architekt von St. Pius war Josef Elfinger, hier ein Artikel im Donaukurier zu seinem 100. Geburtstag – die Piuskirche scheint sein größter Wurf gewesen zu sein. Die Bauzeit betrug wenig mehr als ein Jahr.
Die Fenster sind ein Werk des Prieners Max Wendl: Die 20 Betonglasfenster sind auch sein größtes Werk, und er führte sie in zwei Jahren selbst handwerklich aus.
Diese Fenster hatten bei meinem gestrigen Besuch nichts von ihrer Faszination verloren. Ich kenne nichts Vergleichbares – was natürlich überhaupt nichts bedeutet, da ich mich nie besonders mit Glasfenstern beschäftigt habe. Allein schon ihre Materializität: Wendl hat jeden einzelnen Glasstein bearbeitet und zurecht geschlagen. Und so strahlt jeder eine ungeheure Lebendigkeit aus. Verbunden sind die bunten Brocken mit Beton – die Kombination mit dem dicken Glas hat für mich eine gewaltige Kraft und Energie.
Ich glaube mich zu erinnern, wie enttäuscht ich später von berühmten alten Kirchenfenstern war: Die hatte man ja zum Teil bemalt! Das fand ich ausgesprochen unsportlich im Vergleich zur Gestaltung nur mit groben Steinen.
Die Ästhetik der Kirche St. Pius, in der ich Taufen, sonntägliche Messen, Schulgottesdienste, Kommionfeiern, Jugendmessen, Oster- und Weihnachtsgottesdienste erlebte, hat mich ähnlich geprägt wie die Architektur des Ingolstädter Stadttheaters, in dem ich nicht nur Theaterstücke sah, sondern auch selbst auf der Bühne stand, im Festsaal Faschings- und Abschlussbälle feierte: Ich finde bis heute schöne Betonbauten attraktiv, bin fasziniert von den Formen und Kontrasten, die dieses Baumaterial ermöglicht.

Diese Außenaufnahme muss kurz nach Fertigstellung 1958 entstanden sein.




Hier ging ich zum ersten Mal und alle folgenden Male zur Beichte. Wie unangenehm und belastend die vorherige Gewissensprüfung war! Mir war ja im schulischen Religionsunterricht beigebracht worden, welch grundschlechter Mensch ich war. Dass mir jetzt immer nur als Sünde einfiel, dass ich meinen Eltern nicht gefolgt hatte – das konnte ja nur bedeuten, dass ich noch viel, viel schlechter war, weil ich meine Sündigkeit nicht mal bemerkte.



Beschriftung der Beichstühle.
H.H. = Hochwürdiger Herr, nur falls es Sie mal in eine bayerische Dorfredaktion verschlägt und sie sich in den Berichten der Freien Mitarbeiter über diese Abkürzung vor einem Namen wundern.
Im Loch unter dem Namensschild war ein Licht eingebaut, an dem man sehen konnte, ob der Beichtstuhl gerade besetzt war.

Die Glasfenster:






Hier noch St. Pius im Familienalbum der Kaltmamsells:

Die Hochzeit meiner Eltern im Juli 1966. Fahnenspalier, weil meine Mutter in der CAJ (christliche Arbeiterjugend) aktiv war.


Die Taufe meines Bruders 1973.
Hintere Reihe (von links): Mein Vater, meine Mutter, Taufpatin Christa mit Täufling, meine Oma, meine Taufpatin Irmi.
Vordere Reihe (von links): Taufpatintochter Daniela, ich (Kleid von Mutter genäht), die Kinder meiner Taufpatin, Isabel und Peter.
Das wuchtige Taufbecken steht seit 1983 nicht mehr in der Seitenkapelle, sondern wurde an die Seite des Altars verlegt. 
die Kaltmamsell